10 JUNE 1938, Page 17

HANDWERK

[Von einem deutschen Korrespondenten] HANDWERKER der ganzen. Welt haben sich in Berlin zur Inter- nationalen Handwerksausstellung getroffen. Von den Lapp- landern bis zu den Botokuden, von den Azteken bis zu den Babyloniern sind die besten und schonsten Werke mensch- lichen Erfindungsgeistes und menschlicher Handfertigkeit zusammengebracht. Eine verbliiffende Schaustellung, die nur beweist, dass auch in der Vergangenheit die Instrumente des Friedens und der Kultur die Werkzeuge des Krieges und der Zerstorung an Zahl and Dauer tiberragen.

Das zur Schau gestellte Handwerk ist in einer fiber- waltigenden Fulle zusammengetragen. Die Ausstellungshallen am Funkturm musten um solche im Funkgarten und am Freigelande erweitert werden, so dass insgesamt vierzehn Hallen zu besichtigen sind. Am cindruckvollsten ist die Ehrenhalle der International Handicraft Exhibition, in der riesigen Masurenhalle eingebaut. Hier ist jedes Land mit einem einzigen Stuck vertreten. Belgien sandte ein Tauf- becken, Estland ein Gewehr, Frankreich eine Handwerkslade, . Japan einen Kimono, Jugoslavien einen Schrank, Norwegen ,einen Pelzmantel, Polen einen Pflug usw. Daneben sind die Ehrenpreise ausgestellt, die von den hier vertretenen 27 Landern gestiftet wurden.

Im Westteil der Masurenhalle ist eine kulturhistorische Sonderschau aufgestellt. Griechenland zeigt Silberschmiede- werke, Rom vorwiegend Topferwaren, China brilliert in Porzellanen, Japan brachte Keramilen und Lackarbeiten. Das alte Amerika ist. mit zahlreichen Schatzen am Mexiko und Peru versammelt. Der fern und der nahe Osten zeigt uns die Handwerkskunst des Islam, herrliche Werke aus Arabien, dem Iran, der Tiirkei, der Mongolei. Aegypten hat das alteste Bett der Welt gesandt, 4.500 Jahre alt und noch gut erhalten. Das deutsche Mittelalter zeigt die erste Taschen- uhr, das " Ninnbergisch Ei" des Schlossers Henlein, das erste Auto des Zirkelschmiedes Hans Hautsch aus Nurnberg.

Unerschopflich die Schatze der Gegenwart. So hat Polen allein ungefahr r3.o0o Erzeugnisse geschickt, Frankreich kam mit den Spitzenleistungen aus funfzig Handwerkszweigen, die "c schechoslovakei zeigt ihre weltberiihmten Glaswaren und Steingutprodukte, England stellte vorwiegend Goldschmie- dereien und Bucheinbartde aus, Ungarn lieferte Schuhe und Handschuhe, Bulgarien Stickereien, Finnland Renntierhuf- sehnitzereien, Belgien Spitzen und Tabakspfeifen, Holland Lederarbeiten, Griechenland Handwebereien, Tiirkei Perlmutterwerke, Norwegen Holzarbeiten, Schweden Zinngiessereien, Danzig Elfenbeinsachen, Jugoslavien Tep- pichkniipfereien. Wer zahlt die Lander, zahlt die Namen, die alle hier zusammenkamen . . .

Die Deutschen haben natiirlich eine Ausstellung fur sich. Tischler, Keratniker, Goldschmiede, Ziseleure, Schneider, Weber, Graveure, Drechsler, Korbflechter, Topfer, Glas- blaser, Kupferschmiede, Geigenbauer, Uhrmacher, Holz- schnitzer, and andere mehr, sie alle haben ihr Scherflein beigetragen. Ein bekanntes deutsches. Sprichwort behauptet " Handwerk hat einen goldenen Boden." Gold ist zwar nicht viel vorhanden, weil es die Devisenzentrale braucht. Aber das Handwerk bier hat auch manchen schOnen Mosaikboden.

Das Freigelande hat sich dem Bediirfnis nach leiblicheren Geniissen angepasst. Da wird in einem ungarischen Puszta- Wirtshaus echter Tokayer zum Paprikagoulasch serviert, Frankreich, Polen und Rumanien haben Riesenkonditoreien errichtet, Deutschland hat eine Fleischerei aufgebaut . . .

Es gibt in Deutschland mehr als anderthalb Millionen Einzelbetriebe innerhalb des Handwerks. Davon sind ein Drittel ausgesprochen Kleinbetriebe, in denen der Meister nur mit einem Gesellen oder Lehrling arbeitet. Daher muss ein sokher Meister nicht nur Meister in seinem Fach sondem auch Propagandist, Buchhalter, Verkaufsleiter, Expedient usw sein ; diese Vielseitigkeit zwingt ihn, sich mit alien Methoden modemer Geschaftsgebahrung vertraut zu machen.• Der

deutsche Handwerker hat diese Aufgaben gut gelost. So ist der Umsatz im Handwerk in den letzten fiinf Jahren urn das

doppelte, auf ro Milliarden Mark, gestiegen. Die um sick greifende Rilstungskonjtmktur hat auch den Handwerksmeister gezwungen, sich umzustellen. Dass ihm dies gelungen ist,

tin beweist diese Ausstellung. Sie ist heute eine Universitat der Handfertigkeit. Moge sie mit beitragen zu einer Univer- salitat der Geistes-und der Gesinnung in der ganzen Welt.