14 APRIL 1939, Page 21

ADOLF HITLER

[Von einem deutschen Korrespondentenj FUNFZIG JAHRE ADOLF HITLER, davon die grOssere Halfte in Not, Krieg, Bilrgerkrieg und im Scheinwerferlicht der europaischen Oeffentlichkeit verbracht, sind keine kleine Leistung. Wenn man auch den Mann und seine Erscheinung nicht lieben kann, so muss man vor der rein physischen Leistung seiner Nerven und Stimmbander Respekt haben.

Die wichtigsten Daten dieses Lebens sind bekannt. Adolf Hitler wurde als Sohn eines kleinen osterreichischen Beamten am 20 April, 1889, in Braunau am Inn geboren, kam als junger Mensch nach Wien, arbeitete dort als Maurer und antisemitischer Agitator, machte den Weltkrieg in der deutschen Armee mit, griindete spater in Miinchen die nationalsozialistische Bewegung, mit der er vor sechs Jahren Deutschland eroberte. Seit dieser Zeit gehort er als " der " Fiihrer des Deutschen Volkes der Weltgeschichte an.

Seit Jahr und Tag bemilht man sich, das Phiinomen dieses Mannes zu erklaren. Unzahlige Bticher wurden Ober ihn geschrieben, unzahlige Theorien wurden aufgestellt. Wahrend die einen in Hitler nichts anderes als einen schwitzenden Schreihals sehen und horen kiinnen, empfinden ihn wieder andere als einen neuen Attila, eine Geissel Gottes, ein Instru- ment der Vorsehung, die Inkarnation des Deutschtums, die Personifizierung des Furor Teutonicus. Wer und was ist aber Adolph Hitler, der " unbekannte Trommler des Weltkrieges " und der weltbekannte Schreier seiner Nation in Wirklichkeit?

Von alien historischen und hystcrischen Parallelcn zu anderen Figuren unseres Planeten, die Weltgeschichte machten, scheint die zu Mohammed, dem Propheten, die einleuch- tendste zu sein. Hier wie dort sind ein paar Aehnlichkeiten unverkennbar ; diese seltsame Verkuppelung von nationalen und religiosen Macht-und Wahnvorstellungen, die lebenslange Unruhe, die Flucht, das Fliehen vor sich selbst, die Unduld- samkeit, Grausamkeit, Machtgier, das schlaue Benutzen der Frauen bei gleichzeitiger Verachtung ihrer geistigen Fahig- keiten, der Hass gegen die Unglaubigen, die epileptik-artigen Rauschzustande und Visionen, die Unkultur in Wort und Schrift, der Fanatismus der Propaganda und der Propa- gandisten, " heulende Derwische mit Schaum vor dem Munde "—in der Tat, diese beiden Bewegungen, die von " Feuer und Schwert " und die von " Blut und Boden," sic haben erschrecklich viel Gemeinsames aufzuweisen.

Ohne Zweifel ist dieser Mann, von dessen Willen Leben und Sterben von Millionen unserer Zeitgenossen abhangen, eine tragische Persiinlichkeit, in dessen Gehirn die beiden Substanzen Instinkt und Intelligenz eine seltsame Mischung erzeugt haben. Seine Intelligenz, wie sie uns in seinen Artikeln und Reden entgegentritt, ist von einer beschamenden Durftigkeit. Dieser Mann, der keine fremden Sprachcn kcnnt, kann auch nicht Deutsch. Jeder Deutsche muss sich dieses Phrasenschwalls, der seinem Munde unaufhorlich entquillt, schamen. Auf der anderen Seite aber ist die bauernschlaue Starke seines Instinktes bemerkenswert. Es kann nicht gentigen, dass der Fiihrer des Dritten Rciches Ober den bedeutendsten Spitzelapparat der Welt verfiigt, um aber die Schwachen seiner Gegner informiert zu sein. Sein In- stinkt, immer ein Kennzeichen einer Mischrasse, als dcren Exponent Adolf Hitler auch rein ausserlich auftritt, ist robust und bis heute fehlerfrei. Nicht einmal sein Brudermord an Rohm, die Niedermetzelung seiner engsten Kampfgenossen und Mitarbeiter, hat ihm offenkundig geschadet. Ein Mensch, der sich am Grabe seiner Eltern photographieren liisst und dieses Bild zur Veriiffentlichung freigibt, muss schon wissen, was er " seinem " Volke noch alles zumuten kann.

Es wire ein miissiges Untcrfangen und entsprachc mehr der Mystik derer urn ihn, wollte man diesem Propheten eine Prognose stcllen. Die Tatsache, dass Adolf Hitler's tausend- jahriges Reich wider alles bessere Wissen und Gewissen nun doch schon sechs Jahre wahrt, ist nur ein Beweis fur die Kraft eines " Sadochismus," die braune Mixtur aus Sadismus und Masochismas gebraut vom Hollen-Himmler im Blubo-Empire.

In derselben Woche wie Adolf Hitler wird ein anderer Zeit- genosse ebenfalls fiinfzig Jahrc alt : Charlie Chaplin. Die Welt ware froher und freier, wenn diese beiden Geburts- tagskinder, diese enfants terribles der Tragik und der Komik, ftir eine Weile ihre Rollen vertauschtcn. Und diese Weile brauchte durchaus keine kurze zu sein.