14 DECEMBER 1934, Page 14

.VON DEUTSCHER MUSK

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTEN]

DIE musikalische Schlacht, die jetzt in:Deutschland .1.1 mit dem Siege einiger anonymer Musik-Analpha- beten fiber die zwei bedeutendsten deutschen Musiker Paul Hindemith und Wilhelm Furtwangler ohne Frieden: schluss abgeschlossen wurde, war weniger mit musi- kalischen als mit politischen Noten ausgefochten worden.

Was war die Ursache diesel Krieges ? Der noch nicht 40 jahrige Musiker Paul Hindemith wurde von dem " Angriff " des Herrn Dr. Goebbels denunziert und angeklagt, Kulturbolschewismus in die Musik gebmcht zu haben and dies Mich' noch im Dritten Reiche zu tun. Der noch nicht 50 jahrige Dirigent Wilhelm Furtwangler, Sohn des beriihmten Archeologen Adolf F, setzte sich in mehreren Artikeln fur die Person und das Werk Paul Hinde- miths offentlich ein. Nun ist die Entscheidung gefallen. Furtwangler wurde gezwungen, alle seine Posten abzuge- ben—er war jahrelang Leiter der Berliner Oper sowie der Berliner Philharmonic, und preussischer Staatsmt- laid wird vermutlich den Weg eller representativen und zugleich anstandigen Musiker von Eisler und • Schonberg bis Klemperer und Walter gehen, den Weg der Bach, -Beethoven, Chopin, Mahler, Meyerbeer, Offenbach, Wagner, den Weg in die Fremde, den Weg ins Exil.

Das Ausland wird ihn und Hindemith und alle, die noch mit und nach ihnen kommen werden, mit offenen Armen aufnehmen. Ihr " Vaterland " hat heute far sic nur noch geballte Fauste Hindemith wurde vorgeworfen, er sei erstens jildisch versippt. Zweitens habe er jahrelang in dem judischen Amar-Quartett als Bratsche-Spieler mitgewirkt. Drittens habe er noch nach der national-sozialistischen Revolu- tion sich konzertierenderweise mit zwei emigrierten Juden auf der Schallplatte aufnehmen lessen.

Furtwangler stellt diese Angriffe des " Angriffs " richtig. Das Amar-Quartett sei alter als das Dritte Reich, die beiden Partner von der Schallplatte, der Konzertmeister der Berliner Philharmoniker Goldberg sowie der Lehrer an der Hochschule fur Musik Feuermann, zudem Osterreicher, seien wcgen des Unarier-Paragraphen gezwimgen worden, Deutschland zu verlassen. Was aber Hindemiths Musik betreffe, der die Opern " Neues vom Tage," " Cardillae," dazu das " Marienleben," verschie- dene Kinder-Oratorien und anderes geschrieben habe, so sei sic das deutscheste vom deutschen, was sich besonders wieder an seiner neuen Grunwald-Oper " Mathis der Maier " beweise. Der Fiihrer der Reichsmusikerschaft, Professor Gustav Havemann, ein alter Nazi, ist ubrigens auf der Landestagung der Reichsmusikkanuner ebenfalls offentlich- fiir Hindemith eingetreten.

Nur zwei Manner schweigen. Der eine ist der.Kavalier- und Konjunktur-Komponist Richard Strauss, der, ahnlich wie Gerhard Hauptmann, nur seine Ruhe und seine Tantiemen haben will. Der andere ist der -Lyriker und Hautarzt Gottfried Benn, dessen gesamtes, -Dichtwerk ilberhaupt der Inbegriff eines sogenannten. verfemten " Kulturbolschewismus " ist und der fiberdies noch den Text fur Hindemiths grosstes Chorwerk " Das Unaufhor- liche " schrieb.

Hindemith und Furtwangler, beides nicht nur grossc und geniale Kunstler, sondern auch bedeutenje und bahnbrechende Lehrer der jungen Musiker-Generation, hatten im Mitten Reich nichts zu verlieren als ihren guten Ruf. Sie werden jetzt, jenseits der Stickluft impotenter Gesinnungsschniiffelei, mehr denn je ihre alte Kraft und Genialitat wieder gewinnen.

F. G.