15 MAY 1936, Page 16

Ordensburgen

[Von einem deutschen Korrespondenten-J

DAs Dritte Reich erhebt den Anspruch auf Totalitia. Das bedeutet, dass es alle Gedanken, Taten und Funktionen seiner Einwohner beherrschen will. Von den beiden Staat und Partei, einer Riesenzange gepackt, kennt der Deutsche "unserer Tage kaum noch etwas von jener Freiheit, die in anderen Landern ein wiehtiger Bestandteil der Lebensbasis ist. Der Staat Hitlers hat es verstanden, in enger Anlehnung an das faschistische Staatsprinzip, den Menschen von der Wiege bis zum Grabe zu erfassen. Aber fiber der grauen Masse, geeint nur in einer fanatischen Hingabe an den " Fiihrer," sullen sich Menschen erheben, die als Ritter eines spaten Mittelalters den heiligen Graf des National- sozialismus kiinftigen Geschlechtern vererben sullen. Far diese Gralsritter ist auch schon ein Name gefunden worden ; sie werden Junker genannt. Ihre Ausbildung erfolgt auf Ordensburgen. Von ihnen wollen wir berichten.

Die ersten drei Ordensburgen warden in landschaftlieh besonders schiinen Gebieten Deutschlands errichtet. Die erste Burg erhebt sich am Crassinsee in Pommern, nape vom Badeort Polzin, mitten in der beriihmten ostpoin- mersehen Seenplatte. Die zweite Ordensburg kefuidet sieh im Allgau, am Fusse der Alpen ; sie fiihrt den Namen Sonthofen. Die dritte, Vogelsang genannt, liegt im Rheinland, und zwar in der Gegend der Eifel. Urspriinglich sollten diese Schulen nur " Schulungslager " genannt werden. Aber ihr geistiger Ahnherr, Pate und Vater, also Herr Ley, der Fahrer der Deutschen Gewerkschaften, sieht in diesen Kasernen der Ffihrerschaft mehr als blosse Schulen. Man wird ihnen noch am ehesten gerecht, wenn man sie mit mili- tarischen Massstaben misst, und sie so als Mittelding zwischen Kriegsschule und Generalstab betrachtet. Wer kiinft ig eine Stelle in der Partei bcansprucht, vom Ortsgruppenleiter bis zum Reichsleiter, der muss durch eine dieser Ordensburgen gegangen, bezw. marschiert sein.

Drei Jahre lang dauert die "Ordcnsweihe." Die Anwarter sullen im Alter zwischen fiinfundzwanzig und dreissig Jahren stehen und bereits eine gewisse Lebensstellung erreicht haben, erwiinscht sind besonders verheiratete Manner. Vor- bedingungen zum Besueh der Ordensburg sind ferner: Absolvierung des Arbeitsdienstjahres und der Militarzeit, Gesundheit, Abstammung aus erbgesunder Familie, Lei- stungen im Dienste der Partei. Herr Ley wiinscht keine Bewerbungsschreiben, keinen " Lebenslauf " und ahnlichec, kein " Stack Papier " soll sich zwischen Bewerber und Ausmusterungs-Kommission der Reichsleitung schieben, die die letzte Auswahl trifft. Der Ordensburger wird sich in Zukunft auf jeder der Ordensburgen je ein Jahr aufhalten, um so die verschiedenen Landschaften besser kennen zu lernen. Den Abschluss wird der Aufenthalt auf der Maricnburg geben, die aber noch nicht fertiggestellt ist.

Jede der Ordensburgen wird insgesamt tausend Anwiirter umfassen, das Stanunpersonal wird fiinfhundert Personen zahlen. Irgendwelche Prilfungen werden weder beim Beginn noch being Abschluss der Schulungszeit verlangt werden. Charakter, Mut und Disziplin sullen in erster Linie gcpflegt werden, aber such die Weltanschauliche und wissenschaft- fiche Bildung soil Beachtung finden. Der Aufenthalt auf diesen Ordensburgen ist grundsatzlich vallig Frei, auch die Angehorigen der Ordensjunker sullen bei Bediirftigkeit unterstiitzt werden. Aber die AuSwahl der Lehrer trifft Herr Alfred Rosenberg die letzte Entscheidung.

Crassinsee wurde vom Fuhrer persanlieh eingeweiht. Zu Beginn erklarte Herr Ley, dass die Ordensburgen gegenOber den marxistisehen Gewerkschaftsschulen ein Gegenbeispiel im Geiste der Partei sein mogen, wo die kiinftigen politisehen Leiter zu " ganzen Kerlen " erzogen werden. Herr Hitler nahm die Ordensburgen als Geschenk der Deutschen Arbeits- front rtir die Bewegung in Empfang und sagte, dass diese Burgen dem Deutschen Volke den Fuhrer-Nachwuchs sichern werden.

Vogelsang 1st inzwischen ebenfalls von den ersten fiinf- hundert Junkern besetzt worden. Zu den in ihren neuen Uniformen angetretenen Mannern sagte Herr Ley ureter anderm : " Sie sind ausserlich bereits gleich und werden auch

innerlich in kurzer Zeit gleich sein I " F. G.