15 NOVEMBER 1935, Page 15

Kultur und Buchwoche

[Von einem Deutschen Korrespendenten] DIE " Woche des deutschen Buches " ist keine Erfindung des Dritten Belches. Der Gedanke wurde dens Kulturgut der Weimarer Republik entnornrnen, die diese Einrichtung alljiibrlich zu Goethes Todestag zu einer grossziigigen Pro- pagierung deutscher Dichtung benutzte. Damals, lauteten die Themen etwa : Die Frau und das Buch, das Buck und die Jugend, Dichtung und Seefahrt.' Wie man also selsen kann, keine besonders originellen Formulierungen, aber iminerhin Komplexe, die mit dens Thema der Woehe zusaris- inenhingen. Das Thema der diesjahrigen' Buchwoche latitet schlicht und kriegerisch : " Das Buch ens' Schwert des Geistes ! "

Ein grossartiges Bild ! Aber wenn wir uns die eben .veroffentliche Statistik der deutschen BUcherproduktion ansehen, dann miissen wir ganz objektiv trotz des SchWert- gerassels einen starken Ritekgang such 'auf diesem " Frdnt- abselinitt " des Geistes feststellen. Ins Jahre 1984 sind 20.852 Bucher veroffentlicht worden. 1927 waren es noels 81.000. Der Bestand an Zeitschriften betrilgt heute 6.288, was einen Rtickgang urn 16 per cent. gegeniiber dens Vorjahr bedeutet. Den stArksten Riickgang haben die SchulbilCher, die politischen und die plidagogischen Bucher aufzuweisen.

'truss den weiteren drohenden Iblickgang des deutschen Bridles aufzuhalters, sind die deutschen Buchhiindler mit clew Schwert des Geistes gezwungen worden, ihre • Bucher ins Ausland billiger zu liefern, als an ihre Kunden ins Inland. Die zahlreichen Veranstaltungen, die zur .BuchWoehe abgehalten wurden, standen vorschriftsmiissig alle int Zeichen des Geistessehwertes. Besonders riihrend scheint hierbei der Betriebs-Appell der dazu konunandierten Beleg- schaft der Berliner Bueli-und Tiefdruck-Gesellsehaft gewesen zu sein. Da meldete der Zellenobrnann dens Betriebsfiihrer, class die Gefolgschaft vollzahlig angetreten sei. Dann erklarte der Betriebsfiihrer, dass nicht jeder bestimmt sei, in dein gewaltigen Kampf (der Buchwoche) vor der Front zu stehin, aber auch der Gefolgsmann mfisse wissen, worum es gehe. '

In Berlin hielt tier neue President der Reichschrifttunts- Kammer Harms Johst ins Rathaus die Festrede zuna Thema " Dichtung und Nation " Alle grosse Kunst sei Auftragskunst. Alle wahre 'Dichtung sei Demut. Das Geseti des Dichteri heisse Begrenzung auf das eigene Volk. Wer sich gegen diese Tatsachen des vtilkischen Prinzips stelle, habe in den heiligen Riiiimen der Nation nichts zu suchen. Natiirliels las der Dichter dann aus eignen Werken. Dieses tat auch sein Vorglinger its Aint, der Dichter Hans Friedrich Blunek, der in Rahmen der Austellung " Seefahrt und Kunst - eigene Dichtungen zum Besten gab. GrOssere Feiern zur Buchwoche fanden such ins Staats- Theater und in der Kroll-Oper statt. Ein Herr Ramlow erkliirte hierbei, dass sich in Zukunft alle Bucher hinter 'der Bucher-Dreiheit cinreihen milssten, nilinlich hinter Hitlers " Kampf," Rosenbergs " Mythus " and jenem drifter's Buell, der grosseri deutSchen Dichtung, die eines Tages der begnadete Dichter dem Volke der neuen Zeit schenken werde !

Leipzig spendete Mich einem Festabend mit 'dem Balladen dichter Miinchhatisen eine Geldsumme zum Ankauf von natsoz. Bilehern fiir strultische und Schul-Buchereien. Stutt- gart veranstaltete eine Sonderschau, aber den Anteil der Schwaben an der deutschen Literatur, Hamburg feierte Mit dem Thema " Der Seemann und sein Bach." Ins Ausland wurden in Stockholm, Helsingfors, Kronstadt und Mexike mit eigens dazu hinkonamandierten Dichtern Buchwochen veranstaltet.

Huhepunkt der ganzen Angelegenheit war abet die Kund- gebung in der Weimarhalle. Hier, in der Stadt Goethes sprach der Herr Reichsminister Goebbels. Er meinte, dass Bficher uncrKriege die Mittel seien, mit denen ein Volk fiber die Jahrtausende hinweg sein Leben erhalten kann. Die radikale Siiuberung des deutschen Schriftturns sei nun abgeschlossen. Nicht nuiStaatsmanner und Soldateri. Lurch (1) Dichter und Denker 'Sind dazu bertifen, das, was wir der Zeit an Leben einhatichen, mit dem Atem der Unster- blichkeit zu erfiillen.

Den Auftakt zu dieser Rede hatte eine Auffiihrung von Gdethes Tasso gegeben, in dem es bekanntlich so schon heisst: " Man merkt die' Absicht und man wird verstimmt . . •." F. G.