17 FEBRUARY 1939, Page 18

KRIEG DEM WITZ

[Von einem deutschen Korrespondenten]

HERR JOSEPH GOEBBELS, einer von den Big Five des Dritten Reiches, hat dem Witz den Krieg angesagt. Was aber ist ein Witz? Friiher verstand man unter Witz, althochdeutsch wizzi, so viel wie Verstand, Weisheit, Wissen. Heute versteht man unter einem Witz die Fahigkeit, in scheinbar Unahnlichem Ahnlichkeiten zu entdecken. Es ware also ein Witz, und nicht einmal ein guter, Joseph Goebbels mit Goethe zu vergleichen, aus dem Grunde, weil sie beide Schriftsteller sind und well ihre Namen, Vor-und Zunamen, mit denselben Buchstaben beginnen. Leider aber ist es kein Witz, dass der eine heute mehr zu sagen hat und mehr Macht hat als der andere. Denn leider hat heute der mehr zu sagen, der mehr Macht hat. Das ist kein Witz, sondern traurige Wirklichkeit.

Leute sitzen in einem Theater. Auf der Biihne steht ein Mann und macht Witze. Unten sitzen die Leute und lachen. Man merkt ihrem Lachen an, dass es selten ist. Diese Leute da unten lachen auf Vorrat; sie hamstern Lachen. Plotzlich geht das Licht aus. Der Mann auf der Bfihne nimmt eine Taschenlampe und leuchtet die Gesichter im Dunkeln ab. Eimer fragt ihn Taut nach dem Grund. Der Mann antwortet : " Oh, ich untersuche nur die Ursachen des Kurzschlusses. Aber die Leute da unten sind all right. Es muss also an der Leitung liegen."

Das ist ein guter Witz. Es ist ein sogenannter Wortwitz. Leitung hat zwei Bedeutungen. Erstens technisch Strom- leitung. Zweitens politisch : Leitung eines Kabaretts, oder eines Staates. Natfirlich weiss jeder Besucher des Kabaretts, dass in diescm Falle nicht die technische Leitung gemeint ist, sondem die andere. Es ist sozusagen ein kritischer Kurz- schluss. Der Witz lfist einen Funken aus, der ziindet. Trotzdem es dunkel wird, wird ffir einen Augenblick das Gehirn erhellt. Dafiir sind die Leute im Dunkeln dankbar. Sie danken mit Lachen.

Ein Gelehrter sitzt und schreibt; er ist ein Gelehrter, well vor ihm ein Globus steht. Ein Mann kommt, grusst, erzahlt, dass er auswandern muss, weiss aber nicht, wohin. Der Gelehrte empfiehlt ihm den Globus zum Studium. Der Mann dankt, beginnt zu studieren. Nach langem Suchen und trau- rigen Konfschateln blickt er den Professor an und fragt ihn : " Bitte haben Sie keinen andem Globus? "

Das ist kein Witz, denn das ist die Wahrheit, die Wirklich- keit. Die Leute unten lachen nicht. Sie halten den Atem an. Das geht sie an. Sie danken mit Schweigen.

Kein Gelehrter steht und schreit : " Weit fiber den Erdball hinweg in die Ferne schauend, wisse Deutschland, dass es solange keine Freiheit auf der Welt geben werde, als nosh Juden auf ihr lebten." Der dies sagte, Herr Julius Streicher am 25.1.1939 im Berliner Sportspalast, lebt in Freiheit. Und darum ist, leider, sein Satz kein Witz.

Nun hat der Reichsminister ffir Volksaufklarung und Propa- ganda, Dr. Goebbels, eingegriffen. Das ist kein Witz. Denn er versteht keinen Spass. Spass muss sein, sagt der Berliner. Aber Herr Goebbels ist kein Berliner. Wo Herr Goebbels ist, da gibt es nichts zu lachen. So verbietet Herr Goebbels den Witz. Ffinf Schauspieler, aber nicht die Big Five, werden aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. " Damit ist flatten fur die Zukunft jedes weitere offentliche Auftreten in Deutschland verboten." Der Satz, obwohl nicht deutsch, ist kein Witz. Er ist von Herrn Goebbels gemacht.

Wir wissen nichts fiber die Zukunft der fiinf Ausgeschloss- enen, zu denen auch Werner Finck gehort. Die Zukunft gehOrt dem Funk. Wir hoffen, class die Zukunft des Werner Finck und seiner Freunde eine freundlichere sei als die seiner Berufskollegen Paul Nikolas, der sich t6tete, und Paul Morgans, der getotet wurde. Herr Goebbels empfiehlt den Reichskulturkammermitgliedern a.D., sich " freiwillig " zum Westwallbau zu " meiden." Ein Finck mit ether Schippe in der Hand? Das ware nicht ganz so witzig wie etwa ein. Spaten in der Hand des Herrn Goebbels, der dies empfiehlt.

Herr Goebbels ist nicht gegen den Witz an sich. Er erin- nert, dass " wir," d.h.Joseph Goebbels, einmal einen gewisser. Berliner Polizeiprasidenten mit dem Namen Isidor Weis, durch Witze politisch getfitet haben. Der Herr hiess Bern- hard. Erst Goebbels taufte ihn witzig Isidor. So viel Witz hat Herr Goebbels. Er hat das Monopol der Witze. Man soli nicht fiber die Konkurrenz lachen. Man soil fiber ihn lachen. Dem Marine kann geholfen werden.