17 MAY 1935, Page 15

Hunde bellen. Dich an

[Von einem Deutschen Korrespondenten] IN Frankfurt hat vor kurzem ein internationaler Hundekon- gres.s stattgefunden. Es wurde in alien Sprachen gebellt, geheult und gewinselt. Mir die Hunde-Liebhaber war es ein grosses Fest. Fiir die Hunde-Handler war es ein gutes Geschaft. So kern jeder auf seine Kosten. Oh die Vier- beiner gliicklich waren, weiss man nicht.

Salon immer waren Hunde die Fretmde des Menschen. fiche, -des Windspiel des Fridericus ; Atman, der Pudel Schopenhauers ; Trajan, die Dogge Bismarcks ; Clisar, die Dogge Eduards ; Waldmann, der Dachshund Wilhelms- sie alle sind bekannt, ja beriihrnt. Wir wissen, welehe Bedeu- tung die Hunde im Krieg, als Melde-Hunde, und nach dent Krieg, als Blinden-Fiihrer, haben. Darum muss ein soldier Hunde-Kongress, auch wenn ei international ist, nicht unbedingt lacherlich sein. Ein deutscher Schaferhund, ein Doberman, Old Bob von Kenmuir aus 011ivants tmver- gesslicher Hundetragodie, sie alle haben Hire Eigenart.

Der dritte ICynologische Weltkongress wurde von 32 Nationen mit 3.325 Hunden belicfert. Dicse Hunde-Dele- gierten vertraten 124 verschiedene Hunderassen. Im Bilr- gersaal des Frankfurter Rathauses, im Rtimer, wo Goethe noch die Krtinung des deutschen Kaisers erlebtc, wurde der Kongress feierlich croffnet. Allerdings nur den zweibeinigen Delegierten, die sich fur -die Welt der Hunde interessierten; war der Zutritt gestattet. Der Oberbiirgerrneister Krebs betonte, wie nahe Tierschutz and Kultur miteinander verwandt waren. Ein Redner des Propaganda-Ministerfinns namens Muller bat die Gaste, nicht nur die deutschen Hunde anzusehen, sondern awl' mit Arbeitern, Bauern and Soldaten zu sprechen.

Die Hundetagung stand im Zeichen der Rasseziichtung. Das Haupt-Referat gait der Vererbungslehre. Es wurde von Professor Henseler, Vorstand des Tierzucht-Instituts in Munchen, gehalten. Fiir den Redner bedeutet der Begriff " Rasse " die Summe tiller korperlichen und scelischen Eigen- schaften, die sich vererben. So babe jeder Menseh, jedes Tier eigentlich seine eigene Rasse. Ein Major a.D. Most sprach fiber die Vererbung der Naseneigenschaften und forderte neue Prilfungsmerkmale fiir die " Nasenarbeit " der Hunde. Ein anderer Redner, Professor Priocehi aus Mailand, behauptete, class angeborene anatomische Merkmale vererbbar sind, wahrend die Frage, ob auch erworben Eigensehaften erblieh sind, noch ungekliirt ist. Der Referent bezweifelt auch die Moglichkeit, ob man bei den verschiedenen Kreu- zungen fiberhaupt noch von einer wirklichen Reinheit der Hunderassen sprechen Winne. Nach verschiedenen peak- tiselien Priifungen, die aber wegen des schlcchten Wetters nur wenig Erfolg hatten, versammelten sich die Teilnchmer nach der viertagigen Konferenz wieder im Romer. Dort hielt der Reichssportfiihrer Herr von Tschammer und Osten eine Ansprache, in welcher er die Tier-find Friedens-Liebe der deutschen Nation besonders betonte. In dem Schlusswort des Kongressleiters Larsen aus Genf wurde mitgeteilt, class die Hunde-Internationale jetzt von 22 Volkern gebildet werde.

Es wird vielleicht manchen Lesee • verbliiffen, dass man einer so harmlosen Sache wie einem Hunde-Kongress so vier Beachttmg geben kraut. Wer aber weiss, -wie heute in Deutschland manchc Dinge nur bildlieh, durch die Blume, oder hier durch den Hund, gesagt werden konnen, wird hier mehr sehen. Man muss nur statt Hund—Mensch lesen und ein - Teil des stolzen Rasse-Gebaudes bricht rasselnd zusanunen.

Wenn auslandische und sogar inlandische Redner zugeben miissen, dass jeder Hund wie jeder Mensch seine eigene Rasse hat, dass man von einer wirklichen Reinheit einer Rasse nicht sprechen Winne, dann bedeutet das filr den Rassenwahn der Neu-Arier einen argen -Chok. So wird schliesslich jede Rassenlehre und Rassenmystik, heute die hiichste Weltan- schauung, ja beinahe Religion, in sich selbst zum Wider- spruch and zum Gespott der Welt. Vielleicht hat dieser bellende Kongress auf dem Umweg fiber den Hund manchem Menschen die Augen geoffnet, so dass der Hund such hier zum Fiihrer-Hund der geistig Blinden - geworden ist. Sorest ware die Enttauschung zu gross and maneher Deutsche riefe mit Goethes Faust :

- Es mtichte-kein Hund so linger "

F. G.