19 JANUARY 1934, Page 14

Karl Bleibtreu

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTEN.]

DIE Vorkriegsgeneration Deutschlands wird sich gerne des Schriftstellers Karl Bleibtreu entsinnen. Er wurde namentlich von der Gesellschaft und in Offi- zierskreisen stark gelesen. Sein Stil war einfach und klar. Unter den Literaten fand er—vielleicht deshalb—wenig Anerkennung. Seinen Stoff suchte er hauptsachlich in der fridericianischen Zeit und in der Gegenwart. Sehr spannend waren seine Schlachtenschilderungen der Ver- gangenheit, und starken Eindruck machten seine Warnun- gen vor den Gefahren, die Deutschland nach seiner Meinung vor dem Weltkrieg zu drohen schienen. Er wurde am 13. Januar 1859 geboren, und er starb am SO. Januar 1928 in Locarno. Anlasslich seines 75. Geburtstags sind seine sterblichen Vberreste dieser Tage auf dem Luisenfriedhof am Furstenbrunner Weg in Charlottenburg beigesetzt worden. Was von dem Dichter irdisch war, ist also nunmehr der deutschen Erde ithergeben worden.

Das Neue Deutschland benutzt dieses Ereiguis, um Karl Bleibtreu als einen der Grossen des deutsehen Schrifttums zu feiern. Der Aussere Umfang seines Lebenswerkes gibt dazu sicherlich. Berechtigung. Er ist wohl einer der fruchtbarsten deutsehen Schriftsteller der neueren Zeit gewesen. Die Literatur-Almanache berieh- ten von nicht weniger als 150 gthruckten Minden, die aus seiner Feder stanunten, und einem ebenso grossen Tagewerk in Gestalt von Beitragen zur Tagespresse, Zeitschriften u.s.w. Hinzu kommt ausserdem eM sehr erheblicher ungedruckter Nachlass. Zu seiner geistigen Produktion gehorten etwa zwei Dutzend Dramen, von denen eine Anzahl bulmenfahig wurde und auch vor einem Menschenalter Aber die Bane gegangen ist. Vor allem aber verfasste er Romane, Novellen und Lyrik, wie auch eine Mille asthetischer, zeitkritischer, philo- sophischer und politischer Werke. In seinen militar- kritischen und strategischtaktischen Untersuchungen und in den freien dichterischen Nachbildungen militArischer Ereignisse aus der preussisch-deutschen Geschichte wurde er nicht miide, den Ruhm der deutsehen Waffen zu besingen und dem Genius des grossen Friedrich zu huldigen. Mit Nachdruek aber wies er immer wieder auf Deutschlands bedrohte Lage hin, wodurch er so recht zu einem rrepheten des Weltkrieges wurde.

Eine grosse nationalsozialistische Zeitung preist den Dahingegangenen mit den folgenden iVorten : " Bleib- treu wollte mehr als Form, die ihm nur ein untergeordnetes Instrument des Ausdrucks, war, weshalb er den Artismus sein Leben lang mit der ganzen ihm eigenen Leidenschaft bekampfte. Er wollte vor allem Sein 'Volk zuriick- fuehren zu den Urquellen seines seelischen Seins und damit seiner Kraft. Er wollte Erwecker, Kuender und Mehrer deutscher Art und deutsehen Geistes sein, die in der ungeheueren deutschen Lebenskraft und in den militarischen Leistungen unseres Volkes am sinnfalligsten zum Ausdruck kamen. Er ist der Vertreter einer heroischen Lebensfuehrung, fiir die er bereits Ende der siebziger Jahre in seinen Erstlingswerken eintritt. Aus diesern Grunde war er eM leidenschaftlicher Gegner der Moderne, der ein gross Teil seiner literarischen Fehden gegolten hat : des Materialismus, Naturalismus, Main- monismus, Utilarismus, geistigen Storungen, von denen er friihzeitig erkannt hat, dass sie unsere Volksseele von der Wurzel her verdorren Lassen wuerden. Ihnen setzte cr seinen Realidealismus entgegen. Nicht die Moderne fuhrte ihm sein Volk zu seelischer Gesundung und physischer Kampfbereitschaft, die ihm seine standig gefahrdete militarische Lage geboten, sondern weit eher die Seelenhaltung des Mittelalters, insbesondere die der Gotik, weshalb er schon Ende der achtziger Jahre in seinen kosmischen Liedern sang : "Du dunkles nicht, du hell 2S Mittelalter."

Von dem Dichter wird gesagt, dass er in manchem Oswald Spengler verwandt sei, doch wird an ihm gelobt, dass er, der Vorlaufer, nicht wie dieser im Negativen versandet sei. Als wegweisende und wegen ihrer Zeit- kritik wertvolle Werke werden besonders die folgenden Buecher und Schriften hervorgehoben : " Die Vertreter des 19. Jahrhunderts," " Die Haupt- und Suderman- nerei," " Die Geschichte der deutschen Nationalliteratur seit Goethe " und einige seiner Romane, in denen er den " TJngeist und Fremdgeist " riicksichtslos bekampfte and von der kommenden Katastrophe unablasslich warnte. Dies tat er u.a. auch in dem 1908 erschienenen Werk " Deutschland und England." Der Nationalsozialismus glaubt in Karl Bleibtreu so recht einen VorkAmpfer seiner eigenen Ideengange zu erkennen.