20 MARCH 1936, Page 17

Oskar Kokoschka

[Von einem deutschen Korrespondenten]

Es ist kaum zu glauben, dass Oskar Kokoschka, dieser ewige Jfingling, nach Liebermanns 'rode der bedeutendstc deutsche Maier, heutc schon fiinfzig Jahre alt scin soil. Aber der Kalender wird wok! kaum liigen ! Dieser grosse Kfinstler ist tatsiichlich am 1. Marz, 1886, in der alten Nibelungenstadt Pochlarn an der Donau zur Welt gekonunen. Und hat uns seit jenem Tage, an dem er angetreten, ein besonders viel- seitiges und reichhaltiges Werk gegeben.

Das erste Erlebnis des Knaben war der Tod eines Bruders.

Das fiinfjiihrige Kind Mille sich, durch diesen Schicksals- schlag auf cinmal vollig erw•aehsen. Gleichsam als Opfer warf er eine Tfite Bonbons, die er damals von seiner Mutter erhielt, fort, urn auf diesc Weise sich selber seine Mannlichkeit zu beweisen. Er tat dies aber heimlich, um seine Mutter nicht zu kriinken. Beide Taten kennzeichnen schr gut den Charakter dieses Kindes. Oskar wollte und sollte urspriinglich Chemiker werden ; die Welt der sichtbaren und unsichtbaren Veranderungen der Atome hat ihn zeitlebens gefcsselt. Aber dann brach seine Kiinstlernatur doch durch. Er beteiligte sich an der Ausselunfickung eines Wiener Ballsaales durch Anfertigung riesiger Fresken. Diese erregtcn ein solches Aufsehen, dass Kokoschka besehloss, Maier zu werden. Mit zwanzig Jahren bezog nun der schlanke, schweigsame Jangling, die Wiener Kunstgevrerbe-Schule, an der unter der milden Leitung des Hofrats Eder Generationen junger Iiiinstler den Weg ins Leben fanden. Hier lernte das king(' Talent alle Arten der Technik. Seine Arbeiten alit dem Bleistift, der Feder, der Kohle, dem Messer auf Papier, Holz, Stein, Linoleum und der Kupferplatte sind von den ersten Entwfirfen an originell und genial. Tagsiiber wind fleissig in alien Materialien gearbeitet, in der Freizeit versueht sick der bildende Kunstler als Dichter. So entstehcn die Dramen " MOrder Hoffnung der Frauen," ffinfzelm Jahre spater von Paul Hindemith vertont, dann " Der brennende Dornbusch," " Hiob " und " Orpheus," von Ernst Krenek komponiert. Nach zwei Jahren Studium wird Oskar Koko- schka Lehrer an einer Wiener Gewerbc-Schule, wo er seeks Jahre lang his zum Ausbruch des Krieges wirkt. Der Welt- krieg, jene nimmer sich schliessende Zfisur in dem Leben unserer Generation, findet ihn als Dragoncr auf dem russisehen Kriegsschauplatz, wo er vcrwundet wird.

Nach dem Kriege wind Oskar Kokoschka Professor an der Akademie in Dresden. Hier wirkt er seehs lenge Jahre, um dann als freier und unabhangigcr Kfinstler, viel auf Reisen, ganz seinem Werke zu leben. Diese Reisen nach Afrika, England, Frankreich, Italien and Spanien brnchtcn ilun eine grosse Bereicherung. Durch sic vollzog sich der Durch- bruch des bisher nur Bildnisse Malcnden zum Landschafts- Maier. Besonders England kann uber diese Erweiterung von Kokoschkas Schaffen gliicklich scan. Enstanden doch so herrliche Bilder wie die Towerbridge, die Felsenlandschaft bei Dover, die Waterloobridge, die Terrassen in Richmond and die vielen anderen Themse-Bilder. Leider sind die Originale mancher dieser Gemfilde 'mute nicht zuglinglich, da sic als " Kulturbolsehewismus " in den Kellen) der deutschen Museen versteckt gehalten werden miissen.

Von den Portraits kiinnen wir hier nur anfiffiren : August Forel, Felix Harts, Walter Hasenclever, Karl Kraus, Fiirstiii Lichnowsky, Adolf Loos, Frau Mahler, Arnold Schonberg, Franz Werfel ; von seinen Zyklen " Menschenkiipfe," " Harerin," " 0 Ewigkeit, Du Donnerwort . . . "

Oskar Kokoschka kunsthistorisch einzugliedern ist schwer. Er, der Maier des Menschen, ist zusammen mit Franz Marc, dem Maier des Tieres, und Emil Nolde, dem Maier der Maska, unzweifelhaft einer der Begriinder und Fiihrer des deutschen Expressionismus. Seine Viiter aber sind die Flamen und Hollander, sind Bosch und Breughel wie Rembrandt und van Gogh. Aus ihren Schatten tretend, wachst unser Freund in die zeitlose Landschaft ewiger Kunst. Fiir scan Leben abcr w•iinsehen wir ihm jene Resonanz, ohne die such das Werk des grOssten Kiinstlers schal und sinnlos bleibt.

Heute propagiert unser Freund zur Verhiitung von Kriegen die Internationalisierung der Volks-Schulen nach Komcnskys Plfinen ; wir erhoffen den Erfolg fiir ihn, far uns und fiir