21 AUGUST 1936, Page 16

. Fridericus

[Von einem deutschen Korrespondenten]

Von einhundertfiinfzig Jahren ist Fridericus Rex, Friedrich der Grosse, wie ihn sein Volk nannte, gestorben.

Was von ihm blieb, ist das Haus, das er sich gebaut und in dem er gestorben ist.

Abseits von Berlin, im Sfidwesten der Viermillionenstadt, sanft zwischen Hugel, Wfilder, Fluss und Seen gebettet, liegt Potsdam, die tote Residenz der 'toten Hohenzollern. Ntir eine halbe Stunde Balmfahrt vom Gedrillm des Potsdamer Platzes entfemt erhebt sich die schlanke Gamisonkirche, von deren Turin halbstiindlich der Choral ertont " Ueb immer Treu und Redliclikeit . ." und in deren Krypta Vater and Sohn ruhen, Friediich Wilhelm I und Friedrich II, der zweite und der &MC Konig von Preussen.

Wir wandern an dieser Kirche vorbei, die die filteste Potsdams ist, sehen von weitem die anderen Kirchen der kleinen Stadt, die Friedenskirche mit der Gruft Friedrich Wilhelms IV, daneben das Mausoleum Friedrichs III, des Vaters des letzten Preussen-KOnigs und Deutschen kaisers Wilhelm II. Wir wandem kreuz und quer dureli diese Stfick Stein gewordener deutscher Geschichte, am Stadtschloss vorbei, dessen grosser Exerzierplatz den Schweiss, das .Blut and die Thriinen unziihliger Generationen von Grenadieren getrtmken hat. An der Nikolaikirche und der Heiligengeist- kirche vorfiber durch das Brandenburger Tor mitten hinein in das Gartenwunder von Sanssouci.

Ohne Sorge,—so heisst das Schloss und der Garten von Sans-Souci und selten 1st ein Titel mit weniger Ironic gewfihft worden. Er hat sick das Leben nicht Ieicht gemacht, der Schlossherr von Sanssouci und die abnormale Veranlagung dieses genialen Ffirsten, 'die ihn zwischen Streben nach Freundschaft und tiefstem Menschenhass, hin und her warf, sic hat such das Land, das er bekannt gemacht und das ihn vergfitterte, bis an den Abgrund der Vernichtung gebracht. Die Zeit seiner Dilitatur wurde spates von den Politikern der " aufgekliirte Absolutismus " genannt und welshes Elend in Preussen damals herrschte, deur sired Friedrich selbst, Bismarck, Lujo Brentano und andere RR- verdfichtige Burger. In einer Zeit, da Fridericus fik sein drittes Schloss, das " Neue Palais," von ihm selbst eine " Fanfaronade " (Protzerei) genannt, mehr als zwanzig Millionen Tales verschwendete, bedauerte er, dass er in seinem Invalidenhaus in Berlin nur sechshundert Mann unter- bringen konnte und kein Geld ffir ein Kriegswitwenheim Witte. Seine Behandlung Voltaires und der Etarberina, seine Raubzfige gegen Mecklenburg und Sachsen, die Soldaten- misshandlungen, die Eroberung Altenas, alle diese Dinge, die vom Hofprediger Eylert und vom Historiker Rudloff ffir die Nachwelt bewahrt wurden, runden das Bild dieses Ffirsten ab, der alles Deutsche hasste und der sich in der franzOsischen Literatur und in seinem Flotenspiel eine Traumwelt errichtete, die fern von der Tr immerwelt seines Preussen bliihte and verwelkte.

Auf der grossartigen Freitreppe steigst Du, Wanderer, is sechs Terassen von der grossen Fontfine zum Schloss empor. Das einstackige Schloss wurde von Knobelsdorff im Jahre 1746 erbaut and vom KOnig vierzig Jahre Wig bewohnt. Hier fiihlte er sich zuhause. Hier sass der Giehtkranke mit seinen Windspielen in der Sonne, hier liess er, auf der Ostfront der Terasse, seine Hunde und Pferde begraben. Eine Statue der Flora, der Friihlingsgattin steht da, unter welcher der Kfinig begraben sein wollte. (" Quand je semi Fa, je semi sans souci ") • Im Konzertsaal steht die Uhr, die der site Konig selbst zu richten pflegte and die im Augenbliek seines Todes stehen blieb (zwanzig Minuten nach zwei Uhr friih am 17. August 1786). Der Sterbende lag in einem Sessel. Er hielt den Kammerhusaren Striitzki, den einzigen Mensehen, den • er nosh liebte, umklammert. In dessen Armen hauchte der Vierundsiebzigjahrige seinen letzten Seufzer aus. Die Leiche des Freigeistes ruht in der Kirche, entgegen seinem Willen, .nach dens er mitten unter seinen Tieren, die er mehr liebte als die Menschen, ruhen wollte.

Nun ruht er schon hundertffinfzig Jahre in der kalten and kahlen Totengruft: Ave .Caesar, morituri to salutant I

F. G.