23 JULY 1937, Page 16

MUNCHEN IM TRUBEL

[Von einem deutschen Korrespondenten]

Wm nach Munchen, in die Hauptstadt Bayeros kommt, der wird wohl auch bald das schtine bayrische Wort Trebel

kennen lernen. Ein Trubel, in Norddeutichland sagt man wiederum Rummel, 1st ein Zustand andauernder Bewegung. Deshalb heisst auch Miinchen seit vier Jahren die Hauptstadt der Bewegung. Das kann man sogar am Poststempel lesen.

In Munchen ist immer etwas los. Diese scheme, fleissige und dabei doch so gemiitliche Stadt war scion immer ein Ziel fur Fremde. Reisende und Wanderer, die nur ein paar Tage, Kiinstler and Studenten; die hier ein paar Monate verbringen wollen, sie treffen sich hier bei einem Kruge Bier und erfreuen sich an der Schtinheit von " Minks," wie es die Eingeborenen von Munchen stolz und vertraulich nennen. Die Maximilians und die Ludwigs, Kurfiirsten und Konige von Bayern, machten aus ihrer Residenzstadt eine riesige Schatzkammer von Kleinodien und Kunstwerken. Jahrzehntelang war Munchen der Wallfahrtsort aller Kimstler gewesen, vielleicht der grosste und in der Welt am meisten bekannte nordlich der Alpen. Ein mildes Klima, eine herr- liche Umgebung, ein lebenslustiges and geniesserisches Volk machten die Heimatstadt des " Miinchner Kindls " zu einem Sitz der Musen und der FreAde.

Nach dem Kriege wurde Miinchen zum Sitz Adolf Hiders. Von hier aus wurde die Eroberung Deutschlands durch die Nazis vorbereitet und durchgefiihrt. Hitlers Revolverschuss gegen die Decke des altehrwiirdigen Hof braukellers hatte zwar niemanden verletzt. Es gab damals nur ein Opfer und das war Miinchens Gemiitlichkeit. Von da an ist Munchen ernster, harter, erregter geworden. Aus dem Trubel der Feste ist der Trubel der Paraden geworden. Die Miinchner jodeln nicht mehr, sie rufen jetzt " Heil Hitler ! "

Munchen ist die Hauptstadt der Bewegung geworden, natiirlich der nationalsozialistischen. Aber eine jahrhundert- alte Kunst-und Kiinstlertradition st sich nicht in ein paar Jahren toten. So hat Herr Adolf Hitler mit einem weisen salomonischen linen zwei Fliegen mit einer Klappe getotet, indent er Munchen sowohl zur Hauptstadt der Bewegung wie zur Stadt der Kunst ernannte. Als solche prAsentiert sie sich in diesen Tagen einer erstaunten Welt.

Genau in der Mitte zwischen zwei anderen Festen des Trubels, dem bekannten Miinchner Karneval und dem ebenso beriihmten Miinchner Oktoberfest ist nun ein anderes Fest

gefeiert worden, der " Tag der deutschen K-unst"-- Ein wahrhaft gigantisches Progranun wurde hier in den Rahtnen

von drei kurzen Tagen hineingestopft. Der erste Tag brachte einen Haufen on Ansprachen und dazu die Festauffiihrungen von "Tristan and Isolde," "Don Giovanni " und "Minna von Barnhelm," wobei die so sittenstrengen Nazis scheinbar weder der Ehebruch Tristan-Wagners, noch das jiidische Textbuch zur Mozart-Oper noch die Judenfreundschaften Lessings • storen.

Der zweite Tag. brachte Sondertagungen, Jahresversainmlung and Festsitzung der Reichskanuner der bildenden Kiinstler enter Mitwirkung von Brahms und Goebbels. Am Abend ertonten

Symphonien von Beethoven, -Brahms and Bruckner, dazu ein Dutzend von Gesangs-Choren auf Miinchner PlAtzen. Am dritten and letzten Tag erfolgte die feierliche Ertiffaung der grossen deutschen Kunstausstellung and die damit ver- bundene Einweihung des " Haus der deutschen Kunst."

Am Nachmittag bewegte sich ein Festzug " 2,000 Jahre deutsche Kultur " durch die Strassen Miinchens. Er gliederte sich in sieben Abteilungen, die Zeit der Germanen, der Romantlk, der Gotik, der Renaissance, des Barocks, der Klassik, der Gegenwart. Abends schliesslich gab es den " Rosenkavalier," Tanz auf alien offentlichen PlAtzen und eine Festnacht der Kiinstler, in sechs Abteilungen : Kiinstkrtraume, Fest der heiteren Muse, AltmCmchner Sommerfest, Kurfiirstlich bayerisches Sommernachtsfest, Nacht im Kiinstlerhof, Fest im Ham der deutschen Kunst. Auch der Fiihrer sprach.

Kein Mensch wird es dem frOhlichen Miinchner Kiinstler° volkchen veriibeln, den Oktoberfest-Trubel scion im Sommer vorzufeiern. Wer weiss dent, ob es im Oktober noch Feste zu feiern gibs Ob es aber den Flihrern der deutschen Kunst gelingen wird, die Kfuntlerschaft nach nationalsozialistischen Grundstitzen, " auszurichten "—ein Wort aus der Milin5X- sprache--das diirfte noch sehr umstritten sera, Hoffen wir, .class mit der Ausrichtung der .Icfmstlerschaft nicht auch die

Hinrichtung der Kunst unloslich verkniipft F. G.