24 AUGUST 1934, Page 13

" MEN IN WHITE"

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTEN]

MANNER in Weiss sind neben den Aerzten auch die Friseure. Im neuen Deutschland, das den Fremdwortern zu Leibe ruekt, werden die Friseure jetzt Ruch Haarkfinstler genannt. Nun sind in diesem Sommer in Munchen die Friseure und ihre weiblichen Kollegen, the Friseusen, zum Friseurkongress zusammengetreten. In der Munchner Tonhalle, in der sonst Konzerte oder Kunstauktionen stattfinden, walten nun die Haar- kiinstler aus dem ganzen Reiche ihres Amtes und ihres Berufes.

In den Nebenratunen der Tonhalle, drei Stockwerke nusffillend, werden samtliche Gegenstande ausgestellt, die zur Haarpflege notig sind. Da sind machtige Spiegel- toiletten ‘zu sehen, Waschtische mit eingebauten Becken in einer Grosse, dass sie such bis zu zwolf " Mann " gleichzeit4 nebeneinander aufnehmen ktinnen. Frauen bevorzugEn, auch im Dritten Reich, such beim Friseur oder bei der Friseuse, individuelle Waschtische. Sie lieben nicht die kollektive Bearbeitung, da die Geheim- nisse ihrer Haarbehandlung das Licht und die Kritik der Oeffentlichkeit scheuen. Wir sehen ferner die beque- men ledergepolsterten Drehsessel, in denen man jede Stellung einnehnaen kanu. Da gibt es die hundert verschiedenen Arten der vernickelten Apparate, die man fur Dauerwellen braucht. Lind schliesslich eine Fulle von Flaschen und Flaschchen, in denen die tausend Wohlgerfiche Arabiens und Indiens aufbewahrt werden, ohne die jede Frisur, mannlich oder weiblich, nur halbe Arbeit, nur Stuckwerk ware.

Aber in der grossen Halle finden die Wettkiimpfe statt. Im Jahrhundert des Sports und Rekords kommt es such hier, in der " weissen " Kunst, auf die Geschwindigkeit an. Lieber hundert Meister und Gesellen kampfen hier um die Preise. Es sind von der Handwerkskammer Medaillen gestiftet ; die Reichsorganisation der Friseure, der Landesverband Bayern und die Innung (guild) Munchen haben Plaketten gestiftet.

Die Herren-Friseure batten die Aufgabe, einen organisch verlaufenden Haarschnitt, moglichst ohne Maschine, herzustellen. Die Damenfrisuren mussten innerhalb von vierzig Minuten hergestellt werden, hierbei werden die bisher zum Nacken abwiirts gekfimmten Haare wieder hoch frisiert und mfissen daher wieder Iiinger sein. Fs wird hier such die freie Nackenlinie bevorzugt mit ansteigender Hinterkopfpartie und lockiger Seitenansicht. So klapperten die Scheren, flogen die Kamme, sausten die Fohn-Apparate, surrten die Maschinen in der heissen parfumierten Luft, in der die geduldigen freiwilligen Modelle sassen.

Auch ein Perriicken-Wettfrisieren fand im zweiten Teil des Wettbewerbes statt, wahrend im dritten und letzten Tell ein " Schaufrisieren der Modekonunission " War. Dieses zog die meisten Schaulustigen an, denn hier wurden etwa dreisig historische Frisuren gezeigt. Man sah hier den Nackenknoten der antiken Frau am lebenden Modell entstehen, man bewunderte den riesigen Lockenaufbau des Rokoko wie die sehlichteren Formen des Empire usw.

Hier sah man erstaunt, dass die Haarkiinstler, in Russland seit Jahrhunderten such " Perriickenmacher " genannt trotz der fast jahrzehntelangen Herrschaft des Bubikopfes noch immer Meister in der Bearbeitung und Bandigung des unverschnittenen langen Frauenhaars geblieben sind.

F. G.