25 DECEMBER 1936, Page 21

Weihnachten in Weimar

[Von einem deutschen Korrespondenten] Wo ware ein besserer Ort filr das Weihnaehtsfest als Weimar, das wahre Herz Deutschlands ? Dort, wo der grOsste Deutsche em n halbes Jahrhundert lang lebte und litt, wo er die Angel), " zum Schen geboren, zum Schauen bestellt," schlo&s, er bestattet liegt, im Herren von Thuringen, in dens wunder- vollen Weitnar, dort soil unser Weihnachtsbaum stehen.

Weihnachten wurde nicht immer am Tage der Sonnen- wende gefeiert. Das Christfest war urspriinglich ens Epiplut- niastag, also am 6 Januar. Erst seit dens vierten Jahrhundett wurde das Symbol der Christenheit mit dens Symbol des Heidentums gleichgeschaltet." Von dieser Zeit an, will es der Branch, dass die Geburt des Christkindes mit der tieburt der Sonne zugleich gefeiert wird. Aus der langsten und tiefsten Nacht steigen sic cmpor : die Sonne, um inuner starker, immer machtiger zu werden, die ganze Natur zum Blithen zu bringen---und jenes Kind, das die Welt erlasen soil und will. Die enge Verwandschaft dieser beiden Licht- symbole findet wohl ihren interessantesten Ausdruck eben in Deutschland, wo seit Jahrhunderten, Ikidentuni Christentum : ins allgemeinen wie Katholizismus und Pro.- testantismus ins besonderen eincn ewigen Bruderkrieg fiihren. Hier wird das christliche Symbol der Weihnachtskrippe sowohl mit dens heidnischen Symbol des brennenden Baumes, wie mit dens jfidischen Symbol der Kerzenlichter volts Chanukka sonderbar gemischt.

Weimar hat natiirlich semen Weihnachtsmarkt 'MC jede andere deutsche Stadt. Wo sonst die Schafe bliikett und die Zwiebeln . duften, Hauptprodukte auf dem Weimarer Marktplatz, da wandert jetzt wtirdig der weisse Weihnachts- mann. Einst war er als Knecht Ruprecht ein Anfiffirer in Wotans wildem 'Leer, dann aber wurde er Dienstmann des Christkindes und hat, wie der St. Nikolaus, die Rate ffir die bosen und den Gabensack fiir die braven Kinder. - Nalte vom Markt, der von dens Rathaus, dens Wohnhaus von Lukas Cranach und dens Gasthof zum Elephanien belserrsolit

erhebt sich am Frauenplan das Goetheliaus, dens Brunnen gegeniiber. Hier ist er gewandelt, wciss und wiirdig wie' der Weilmachtsmann, Exzellenz Goethe und die Kinder1 werden wohl eben so viel Respekt vor Hun gehabt

wie 'or dens Knecht Rupreeht. Vielleieht steht cr noel' mitten im Gewinsmel des Marktes, der Dichter, und wahlt fiir die Enkelkinder irgend etwas lnurtes und lustiges aus.

Vielleieht trifft er eirten seiner Freunde Herder, Karl August, Muslims, Schiller, Wieland und tauscht mit ihnen einen vertrauten Gross. Vielleieht plaudern sic chi wenig iiber die ." abstruse" Zeit mit ihren Kriegen und Erschiit- terungen und mit dens ewigen unausliichlichen Hoffnungs, drange -der- gemarterten Menseltheit. Vielleieht. . . .

Tagsiiber ist der Wanderer unterwegs. Durch- dell reizendeii SchlosSpark an den Ufern der Ilm an* Goethes Gartenhatts vailber und tiber Oberweimar hinatis %UM Schloss'_ BelVetteile init seiner herrlichen Aussicht. Oder in iistlicher Richtting mach Tiefurt, dent' Landsitz der Herzogin immer auf 'Goethes Spuren. Welter die Jim 'entIang nach Ossmanstedt, wo Wieland, seine Gattin und seine Freundiri gophie Brentano ins Garten ilres Gutcs .rithen: Nordlich Von Weimar das Schloss Ettersburg mit dens Lich- hatier-Theater, wo vielc von Goethes Stiicken uraufgeftihrt wurclen, Berka inmitten herrlieher Buchenwaider, Rudol- stadt, Blankenhain, das ganze grossc Quadrat, da.s von Erfurt, Weinsar, Saalfeld, Ilmenau gebildet wird, ctis arks ist ein nie verwitterndes bleibendeS 'Kulturdenkmal jetzt ins • Winter ein unvergesslicher Naturgarten. Atif tausend Itiegen. hier zu wander!), zu rodeln, zu schlitten- fahren, zu .skilaufen und auf tausend Wegen wieder zuriick zu linden in seine Stadt, das ist unser grosses Wintererlebnis zur Weihnachtszeit' in 'Weitsiar !

Wo Lukas Cranacit ;italic, Wolfgang Goethe dichtete, Friedrich Nietzsche verdammerte, ist.Deutschlands einziges, wahres Herz. Der Geist . von Weimar ist unsterblich. Aufleuchtend in Herders ungeheurem Grabspruch, ,mitten in der Stadtkirehe, auf jener cinfachen Platte die cwigent Wahrheiten unseres Seins : " Lieu!, Liebe, Lelicn." F. G. -