28 DECEMBER 1934, Page 13

"SCHIFFAHRT TUT NOT "

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTENI

pt Ausland hat die " kalte " Beseitigung solchei prominenter Kopfe wie Brtickner, Feder, Furt: wangler, Hindemith, Kleiber, Krupp, &c., gerade scchs Monate rim+ der Ermordung Roehms, Schleichers, Strassers, &c., grosses Aufsehen erregt. Dadurch 1st aber ein Ercignis in den Hintergrund geraten, obwohl es fiir die Zukunft noch von grosser Bedeutung sein kann". Wir meinen die Auflosung der Union zwischen den beiden grossten Schiffs-Konzernen, dem Bremer Lloyd u.id der Hamburger Hapag, der ein 22 facher Direktor- enwechsel vorsangega:igea ist.

Die Auflosung dieses grossen Schiffs-Trusts erfolgt genau zur Stunde des Aufiliegens der internationalen See-Abrfistungs-Konferenz in London und zur gleichen Zeit wie der Stapellauf des grossten deutschen Handels- Schiffes in Bremen, der " Scharnhorst."

Es ist bezeichnend, dass in der Begrundung der Auflosung der Hapag-Lloyd-Union festgestellt wurde, dass kein Land der Welt an Tonnage so stark abgenommen hatte wie Deutschland. Nach den Ausfuhrungen des " Fithrers " der deutschen Seeschiffahrt, Staatsrat Ess- berger, mfissen die Aullosungs-Bestrebungen nicht von den beteiligten Firmen, Ilapag und Lloyd, die 1988 gemeinsam mehr als Zwei Drittel der gesamten deutschen Handelsschiffahrt umfassten, ausgegangen sein. Der Nazi-Sehiffs-Fiihrer musste zugeben, dass die Flotte ureter der Weimarcr Republik 1918-1980 von 20,000 to auf 5 Millionen to gestiegen sei, wahrend im Schatten des Dritten Reiches die Gesamt-Tonnagc von 4,2 Mill to auf 3,4 Mill to gesunken ware. Nun soli die Welt so aufgeteilt werden, class die Hapag den Nordatlantik, ferner Ostasien und Mittelamerika bekame, wahrend der Norddeutsche Lloyd sich mit Nordatlantik und Pazifik begniigen nifisse. Die Schaffung kleinerer Reedereien ist, midi der Meinung der See-Ffihrer, heute das Gebot der Stunde. So wird also, bis auf weitcres, ein Kapitel dcutscher Wirtsehafts -Geschichte gewaltsam abgeschlossen, das im J:thre 1980 mit dem auf 50 (I) Jahre abgeschlossenen Unions-Vertrag begonnen hatte.

So einschneidend diese Zerschlagung eines grossen Trusts fiir die Weltschiffahrt sein wird, so wenig hat sic an der alten, fast mittelaltcrlich anmutenden Seemanns- ordnung, ctwas geandert. Noch immer ist der Kapitan, auch auf dem Handels-und Passagier-Schiff, der Herr fiber Leben und Tod seiner Mannschaft, die er anbinden und in Eisen legen darf. Jetzt wurden in dem eben veroffentlichten neuen Tarifrecht der Seeleute die alten Tatsachen mit neuen Worten verbramt. Der Kapitan gilt nunmehr als Stellvertreter der Betriebsffihrung. Ferner ist von einer " wahren Bordgemeinschaft " und von den kulturellen " Aufgaben " des deutschen Seemanns viel die Rede. Im Grunde aber hat sich, trotz einer starken Konjunkturwellc im Schiffsbetrieb, nichts in der Struktur des Untertanen-Prinzips innerhalb der deutschen Seefahrt geandert.

Auch die Reden, die vom Vorstand des Lloyd, Firle und vom Reichsverkehrsminister Eltz-Rubenach in Gegen- wart Herrn Hitlers gehalten wurden, verwandten viele Worte auf " Nation," " Ehre " und " Mission," liessen aber von den wesentlichen Dingen, den wirtschaftliehen, lohnteehnischen und secrechtlichen nichts horen.

" Schiffahrt tut Not," aber sehafft sie auch Brot ? • F. G.