28 JUNE 1935, Page 15

Hamburger Feste

[Von einem Deutschen Korrespondenten] DIE stoize Hansastadt Hamburg hat in letzter Zeit eine grosse Bedeutung als deutschen Kulturzentrum erlangt. Die Kongresse und Paraden Risen einander ab. Der Ham- burger Senat bemuht sich moglichst viel Menschen und Geld von ausserhalb nach der Elbestadt zu ziehen, da Handel End Sehiffahrt noch immer danieder liegen.

Nach den internationalen Boxkiimpfen und den nationalen Aufmarschen zum Reichsnahrstand und Seefahrtstag fanden in diesen Tagen zwei mehr kiinstlerische Feiern statt. Wir meinen das Internationale Musik-Fest und die anschliessende Reiehs-Theater-Woche.

Das Internationale Musik-Fest wurde vom Standigen Rat ffir Zusammenarbeit der Komponisten und vom Allgemeinen Deutschen Musik-Verein gemeinsam durchgertihrt. Es waren siebzehn Staaten mit Kompositionen vertreten. Bei der Auswahl wurden uberwiegend schon eingefiihrte und aner- kannte Musikwerke berucksichtigt. Bei cinem Empfatig durch die Hamburger Regierung wurde an neun Musiker ids Auszeichnung die " Brahms-Medaille " verliehen, darunter an den Englander Herbert Bedford, an den Deutschen Pfitzner und an den Finnlander Sibelius. Im ersten Festkonzert wurde die Ouvertiire " Cockaigne " von Elgar mit viel Beifall bedacht, ausserdem gab es Orchestermusik von Liszt, Porrino und Rozycki. Lieder von Kilpinen, Rangstrom und Voller- thun, sowie Kammermusik von Kodaly, Novak und Georg Schumann folgten. Eine deutsche Urauffiihrung der pol- nischen Oper " Halka " von Moniuszko konnte nicht restlos begeistern. In der Sitzung des Rates, an der Vertreter von Belgien, Danemark, Deutschland, Estland, Finnland, GroSti- britannien, Italien, Osterreich, Polen, Schweden, Spanieit teilnahmen wurde der Schwede Kurt Atterberg zum Genetal- sekretar des Rates gewahlt, Herbert Bedford wurde als sein Stellvertreter bestimmt. Die Fragc des Urheberreehts lei Filmmusik soil in Zukunft besondcrs geprilft werden.

In den folgenden Konzcrten wurden besonders gefeiert die " Triptyque Simphonique " des Flamen Jan Blocks, die zweite Symphonic des Schweden Eric Westbcrg, die Ballett- musik des Englanders Theodore Hoist und Tanzsuiten des Jugoslaven Jacov Gotovac. Ein weiterer Karmnermusik- Abend ehttauschte, da die Musiker Kaminski, Kienzl, Leif, Schoek und Strasser zu epigonal wirktcn. In der Hamburger Staatsoper wurden Pfitzners " Armer Heinrich " und ein stark bejubelter Ballett-Abend gegeben. In den letzten Orchester-und Quartett-Abenden kam danische, finnische, italienische und Osterreichische Musik zur Auf- fiihrung, die abcr, ebenso wie das Kirchenkonzert in der Michaeliskirche, svenig Neuartiges brachten.

Was die Reielis-Theater-Woche betraf, so bevorzugte sie aus rationellen Griinden eine konservative Kunst. Erstens well eine modeme uberhaupt nicht vorhanden ist -konnten dock nicht einmal die Literaturpreise an moderne Dramatiker verteilt werden-, zweitens weil der Fithrer der deutschen Kultur, Herr Dr. Goebbels, aus propagandistisehen Grfinden ein Ankniipfen an die Tradition wfinscht. Dafftr war Ham- burg besonders geeignet ; hatten doch Alfred Berger int Schauspielhaus und Gustav Mahler im Opernhaus mu die Jahrhundertwende Gipfelleistungen deutscher Theater-Kunst erreicht. Wahrend Oper und Schauspielhaus spater Ulmer mehr verflachten, bekamen die Kammerspiele durch Erich Ziegel kontinentale Bedeutung. Heute sind such sie durch die Emigration Ziegels verwaist. Der heutige Leiter des Schauspiels Wiistenhagen begniigt sich mit Klassikerauffiiht:- ungen. Ein Experiment mit " Heinrich Hohenstaufer," Dietrich Eckarts des beriihmtesten Nazidichters, missglfickte vollig. Nur mithilfe von Werken wie " Lohengrin," " Frei- schiitz," " Meistersinger," " Orpheus " konnte der totale kfinstlerische und finanzielle Zusammenbruch dieser Theater- woche verhindert werden. Auch die pathetische Rede von Goebbels, der sich gegen das Uberwiegen der Harmlosigkeiten,

Serienstficke und Star-Engagements wandte, konnte die Depression der Theaterleute iiber these Pleite nicht verhiillen. Nach zehn Jahren Propaganda fiir eine national- sozialistische Kunst auf Dietrich Eckart mid Richard Wagner zurfickkotrunen zu miissen, das ist sogar fiir die Diktatoren der Hakenkreuzkunst etwas grausam und hart.