29 APRIL 1938, Page 16

RIEFENSTAHLS RIESENFILM

[Von einem deutschen Korrespondenten] GUT Ding will Weile haben. Das sagte sich auch Fraulein Leni Riefenstahl, die fesche Freundin des Fiihrers, deren Filme sich in Deutschland grosster Popularitat erfreuen. Die Dame, iiber deren arische oder nichtarische Abstammung die Akten noch nicht abgeschlossen sind, besitzt in Deutschland heute das ebenso ehrende wie eintragliche Monopol der Parteitags- filme. Vor zwei Jahren befalal ihr der Fiihrer die Ausfiihrung des Olympiafilmes. Am Abend von Herm Hitlers neunund- vierzigsten Geburtstag konnte der Film dem Geburtstagskind _ und semen Gasten vorgefiihrt werden : Befehl ausgefiihrt.

Der Fiihrer rief und der Riesenfilm lief. . . .

Es ist der grosste Film vom Sport geworden. Vierhundert Kilometer Zelluloid wurden daftir verwendet, em n Band, das von Frankfurt bis Munchen reicht; daraus vvurde dann das Kemstiick in zwanzig Monaten geschnitten.

Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin dauerten sechzehn Tage. Der Film, der tie zeigt, dauert fiinf Stunden. Er gliedert sich in zwei Teile " Fest der Volker" und " Fest der Schonheit." Ihnen geht em n Prolog voraus, der uns das alte Hellas mit seiner Kultstatte Olympia lebendig macht. Aus Felsen und Tempeln Risen sich langsam die athletischen Gestalten, die sich zum ersten Reigen und Aufinarsch der friihesten Olympikonen vereinigen. So Eisen sich dann orga- nisch aus dem alten Stadion die jur.gen Gestalten im Fackellauf, der Olympias Flanune vom Hellespont an die Spree brachte. Wir laufen mit, jenen heroischen Weg von Griechenland bis Goeringland, entlan der Siidost-Achse, gerade im umgekeghrter Richtung vom militarischen Lauf der Entwicldung.

Dann sind wir im Stadion von Berlin. Wir erleben noch einmal die aufregenden Kampfe, friedliche zwar und doch massenbewegende. Hier kann der Film natiirlich mehr zeigen als es das Auge des Zuschauers erfassen kann. Denn der Beobachter sieht ja nur den Vorgang in dem riesigen Oval des Stadions. Das Filmauge sieht mehr. Es filmt den Vorgang in der Rennbahn, den Kampf der Leichtathleten auf dem griinen Rasen. Aber es fixiert auch das Rasen der Menge, ihre anfeuemdm, aufpeitschenden Rufe, ihren Beifall, ihre Enttauschung, ihre Erregung wie ihre Erschlaffung. Sechzehn mal zehn Stunden Begeisterung, das halt kein Menschenherz aus.

Aber zwei Stunden, aus den einhundertsechzig herausge- schnitten, mit den dazu gehorigen uberblendungen, init- der dazu gehorigen Musik, der natiirlichen der Menge tmd der kiinstlichen von Herm Windt, das vertragt sogar unsere schnell lebende Zeit. Einen Hohptmkt des Filmes bilden nadir- lich die Laufe, sowohl der epische iiber isoo wie der drama- tische fiber too Meter. Hier mussten dann im Verlaufe der Ausarbeitung clieses Riesenfilmes die an Ort und Stelle gemach- ten Aufnahmen mit den spater dazu gesprochenen Kommentaren richtig und iiberzeugend zusammenkomponiert werden. Manch- mal ist aus den Aufnahmen aus Mangel an geniigendem Licht nichts geworden, so mussten sic einen Tag spater noch einmal gestellt und gedreht werden. Es macht der Filmbesessenheit und Zahigkeit von Leni Riefenstahl alle Ehre, dass sic ausnaluns- los die Bereitschaft der Sportier aus allen Landern fand, ihre Rekordleistungen fiir das kritische Auge Lenis und ihrer Kamera zu wiederholen.

Hat der erste Tell " Fest der Volker" die sportlichen Leistungen der verschiedenen kampfenden Kollektive erfasst und festgehalten, so bringt der zweite Tell des Riesenfilrnes " Fest der SchOnheit " individuelle Leistung und Halving. Der Springer, der Reiter, der Schilaufer, der Ruderer, der Kugelstosser, der Speerwerfer mannlichen und weiblichen Geschlechts, aufgenommen in Grossaufnahmen, mit dem Zeitraffer, zusammengesetzt zu den verschiedenartigsten Symphonien aus Licht und Bewegung. Und im Mittelpunkt immer der Mensch, nicht mit dem Drum mid Dran einer erftmdenen bidden Handlung, sondem als freies oder wundervoll dressiertes Muskeltier der Schopfung.

An der Spitze aller deutscher und osterreichischer Olympia- sieger, den Inhabem von 239 Goldenen, Silbemen und Bronzenen Medaillen, beghickwiinschte der Fiihrer Frau Riefenstahl und iiberreichte ihr einen grossen Strauss von weissem Flieder und rosa Rosen. Die offizielle Wertung des Filmes lautet : " Staatspolitisch wertvoll, kiinstlerisch wertvoll, kulturell wertvoll und volksbildend." Mehr kann man von, einem Film wohl nicht verlangtn.