2 MARCH 1934, Page 13

Deutscher Fasching

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTEN]

DER erste Fasching musste in dem neuen, dem nunmehr vollig gleichgeschalteten Deutschland eine besondere Bedeutung haben. Das Karnevals-Fcst, jenes bunte Treiben, das als Abschied VOM Fleisch (Kamp vale : Fleisch, leb wohl) die Zeit der grossen Fasten cinleitet, wurde in Deutschland besonders in den katho- lischen Gegenden, also in Bayern und im Rheinland, sehr glanzvoll und gerijuschvoll gefeiert. Es musste wohl diesmal fiir den Betrachtcr sehr interessant sein, zu schen, wie die Katholiken den Fasching oder Karneval feiern warden, die als einzige heutc nosh einen gewissen Widerstand gegen die, braune Diktatur leisten. Nun, es kann abschliessend gesagt werden, dass die frommcn Katholiken in diesen Wochen ebcnso brave Monarch- isten waren wie die strammen Protestanten. Sic alle batten in den Wochen des Tanzes nur einen " Fiihrer,'" dem sie vereint huldigten und dies war der Prinz Karneval. Dieser Prinz Karneval, ein Symbol unausrottbarer Lebensfreude, wurde in Mainz und Mfinchen, in Koblenz und Koln, von ernsthaften Mannem in ernsthaften Sitzun- gen gewahlt, urn dann am Rosenmontag in dem bekannten Faschingstreiben durch die Strassen geschleppt zu werden, wahrend in Paris und Wien Strassenkampfc tobten.

Diesmal waren die Karnevalsziige hochpolitisch und aus diesem Grunde verdient der gauze lacherliehe Trubel mehr Beachtung als sonst. Da die Staatsmacht, vertreten dureh Minister, Generale und Polizei, offiziell bei den Millen und Umziigen dabei war, so bedeutet diese Anteil- nahme der Regierung an dem Festestreiben seta. viol.

In Munchen zum Beispiel war der. Faschingszug ganz militaristisch. ' Dem Zug voraus marschierten, wie die " Deutsche Allgemeine " meldet, Poli- zisten in Kostiim (!) ; die Polizeidirektion hatte, im "Vertrauen auf die Disziplin und Selbstzueht derBevolk- erung, auf jcde brutale Absperrung mid Abricgelung verziehtet." Die Reichspost liess Briefmarken durch Postboten als " Dienst am Kunden " verkaufen mid der Staatsminister Esser hatte in seinem Geleitspruch die Parole ausgegeben : " Ein fader (langweiliger) Mensch ist leicht such ein schlechter Arbeitcr. Darum scid zur rechten Zeit frisch, frohlich und heiter " Der Karnevalszug wurde durch einen riesigen Tank erOffnet, der den Weltfricden verkorpen sollte. Dann zeigte man, wieder als Faschings-Ulk, das " waffenlose" Frankreich und das " waffenstarrendc " Deutschland. Franzosen als Fas-hingstruppen folgten, die alle bis an die Mime bewaffnet waren, wahrend die jungcn Deutschen mit Stticken und holzernen Gewehren ausgerfistet waren und eine alte Kanone mit sich schleppten, die mit Kon- fetti geladen war. Gruppen- mit Themen wie " Munchen mobilisiert", " Volkerbund und Abrfistung", " Pariser Semigranten-Café", wetteiferten mit der Seesehlange aus Loch Ness, die nach Bayern zog.

Es war ein politischer Karneval.

In Berlin ging es wurdiger zu. Dort sail man Goebhelg und Goering, Hohenzollernprinzen und Reichswchr- generale, Dichter und Direktoren, Ganz-, Halb-und Viertel-Arier, SA, SS, PO, NSBO, Schupo und andere Abkiirzungen in braun und gran, in griin und Schwarz im bunten Durcheinander, die sich alle nach dem Gebot des Fest-Kalenders bewegten : " Tanz ist Beten mit den Beinen."

Auch hier, in der crnstcu Reichshaptstadt war das Karnevals-Treiben " nicht Snobismus, sondern Sozialis- mus, keine Wohltiitigkeit im alten Sinne, sonderu Bekenntnis zur neuen Volksgemeinschaft",

F. G.