3 MARCH 1939, Page 18

COPPERNICUS, KANT, ROSENBERG

[Von einem deutschen Korrespondenten1

DIESE Zusammenstellung ist weder ein Witz noch eine boswil- lige Verleumdung. Die Verbindung von zwei weltberfilunten

Weisen mit dem weltberfichtigten Reichsleiter ist eine Tatsache, die man nicht ableugnen kann. Da man im Dritten Reich augenblicklich grossen Bedarf nach Anlehnung an den nahen Osten hat, wurden rasch zwei wehrlose Genies eruiert, denen sich noch rascher der Autor des " Mythos des zwan- zigsten Jahrhunderts " zugesellte, auf dass die drei Weisen aus dem Morgenlande komplett seien.

Auch der machtigste Mann Preussens, Generalfeldmarschall Goering, war, wenn auch nicht im Fleisch, so dock im Geiste vertreten. Als Fiihrer der Flieger sind ja seine Beziehungen zum Kosmos, den Coppernicus und Kant durchforschten, evident. Der Beherrscher des Aethers und die Entdecker seiner Gesetze, sie haben sich zusammengefunden, ad majorem coeli gloriam. Zu diesem Zwecke hat Hermann Goering eine Coppernicus-Stiftung gegrfindet und zehntausend Mark dafiir bewilligt. Mach deine Rechnung mit dem Himmel . . .

Die Kant-Coppernicus-Woche, veranstaltet von der Konigs- berger Albertus-Universit, hatte nur einen, namlich einen politischen Zweck. Nur Toren aus Thorn, wo Nikolaus Coppernicus geboren wurde, konnten annehmen, dass die Erforscher des Himmels und des Denkens der ganzen Mensch- heit angehoren. Ostpreussens Gauleiter formulierte dies auch treffend : Hermann Goering habe deswegen den Preis gestiftet, weil er es ja am besten wisse, dass die Wiederaufnahme der Grundlagenforschung die Voraussetzung fur die Einhaltung des Vorsprunges des deutschen Geistes auf technischem und naturwissenschaftlichen Gebiete Das Geld ist also fin den springenden oder vorspringenden deutschen Geist. Der Geist selbst wird reprasentiert von dem Reichsleiter Alfred Rosenberg, dem sechsundvierzigjahrigen Fiihrer des heutigen deutschen Geisteslebens. In drei grossen Reden wurdigte der Denker aus Reval das Werk der beiden anderen Denker. In der Tat ist ja auch Herr Rosenberg wie kein anderer geeignet, Schulter an Schulter mit Coppernicus und Kant vor der Deutschen Ewigkeit aufzutreten. Mit Coppernicus hat Rosenberg gemeinsam, dass beider Bticher auf den Index gesetzt wurden. Mit Kant hat Rosenberg gemeinsam, dass sie wegen " Entstellung und Herabwiirdigung des Christentums " angefeindet wurden. Aber Rosenberg, leider kein Mythos, sondem ein Sohn des zwanzigsten Jahrhunderts, geht fiber seine beiden Vorlaufer weit hinaus. Kopernikus, wie der Name noch vor dem Dritten Reiche geschrieben wurde, stellte die Sonne in den Mittelpunkt seiner Wissenschaft. Kant, der Entdecker des kategorischen Imperativs, Handle so, dass die Maxime deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten konne, stellte das Sittengesetz in das Zentrum seiner Lehre. Rosenberg, der geistige Lehr—und Nahrvater des Dritten Reiches, stellt den Juden in den Mittelpunkt seiner Philosophic. Das sieht dann so aus : Die Judenfrage werde erst dann gelost sein, wenn der letzte Jude Deutschland verlassen habe.

Soweit Rosenberg. Er hatte gewiss Kant verboten, weiter mit seinen Freunden Jacobi und Moses Mendelsohn zu verkehren. Er Wane ihn auch ohneweiteres aus dem Lande gejagt, den er jetzt zu feiern wagt. Freilich verffigt Deutsch- land heute, seitdem es Einstein vertrieb, kaum noch fiber Manner wie Coppernicus. Und fin Kant tritt Rosenberg in die Lucke. Herr Rosenberg aber geht noch weiter. Nicht nur der Jude sei die Pest, auch der Bolschewismus bringe Gefahr, ihm gegeniiber sei Deutschland der erste Eckpfeiler des europaischen Kontinents. Und schliesslich miissen sich die Volker des Ostens vom Finanzimperialismus des Westens befreien und ihre europaische Sendung erkennen. Im Zeichen Rosenbergs werden sie siegen.

Fur alles dies kam der verdiente Lohn. Dem Reichsleiter

wurde in einer Feierstunde die Kant-Medaille iiberreicht, die bis dahin nur Herr Goebbels und der Forscher Filchner besassen. Wir aber besitzen Kant und trOsten uns mit ihm : " Bei dem traurigen Anblick der Ubel, welche die Menschen sich untereinander selbst anthun, erheitert sich doch das Gemiit durch die Aussicht, es Winne ldinftig besser werden ; und zwar mit uneigennfitzigem Wohlwollen, wenn wir langst im Grabe sein and die Frfichte, die wir zum Teil selbst gesat haben, nicht einemten werden."