4 MARCH 1938, Page 16

VOLK AUF RADERN

[Von einem deutschen Korrespondenten]

HEINRICH IV. VON FRANKREICH sagte einst : " Ich wiinsche, dass Sonntags jeder Bauer sein Huhn im Topfe hat." Der Herr

von Deutschland sagt heute : " Ich wiinsche, dass jeder Deutsche seinen Volkswagen in der Garage hat." Wir sinl iiberzeugt davon, dass sein Wunsch in Erfiillung gehen Die Internationale Automobil-und Motorrad-Ausstellung Berlin 1938 soil diesem Programm Rechnung tragen. Mit jener ungeheuren Energie, die dem Deutschen Volke seit jeher eigen ist, wurde hier zum fiinften Male die grosste Auto-Ausstellung Europas aufgebaut. In den zehn Riesenhallen am Kaiserdamm mit ihren 5o.00o Quadratmetern Schauflache ist alles zusammengetragen oder zusammenge. fahren, was in Deutschland heute rollen, hupen und heulen kann. Viele Autofirmen des Auslandes haben sich an der Autoschau beteiligt, so Austin, Fiat, Hudson, Lancia, Renault, Romeo und Steyr. Das Inland ist mit 17 Firmen vertreten. Dazu haben natfirlich alle Behorden des Dritten Reiches ihre

rollenden Delegierten entsandt : die Wehrmacht, die Reichspost, die Reichsbahn, das Natsoz. Kraftfahrer-Korps, die diversen Nationalen Sportbehonien u.s.w.

Den Mittelpunkt der Autoschau bildet natiirlich das Modell der zukiinftigen Fabrik fiir den deutschen Volkswagen, die noch in diesem Jahr gebaut werden soli. Das Modell 1st 3 Meter breit und 6.5 Meter lang, in Wirklichkeit wird es eine Flache von 1.5 km : 3.5 km bedecken. Die eigentlichen Fabrikratune sollen in drei grossen Trakten untergebracht werden, voneinander durch Strassen getrennt. Autostrasse, Eisenbahn, Hafen und Kanal werden die Verbindung mit der Umwelt herstellen. Ein eigenes Kraftwerk wird den fiir die Fabrikation notigen Strom liefern. Neben der Volks- wagenfabrik werden Siedlungen errichtet werden, um die dort beschaftigten Arbeiter bodenstandig zu machen. Die Fabrik wird in der Mlle des deutschen Stadtchens Fallersleben errichtet werden, in der Nate Braunschweigs, also in einer strategisch besonders giinstigen Lage.

Fiinf Jahre hat man probiert und experimentiert und die Priifung des Modells, das von Dr. Porsche stammt, ist auch jetzt noch nicht abgeschlossen. In seiner Eroffnungsrede hat der Fiihrer und Reichskanzler, fiber dessen nationalokonc- mische Weisheiten sich langst weder Fachmann noch Laie wundertn, das Programm von der permanenten Motorisierung Deutschlands entworfen. Er als Schirmherr der " Forderung der Entwicklung der Motorisierung Deutschlands " erblickt im Autobau den grossen Zug einer allgemeinen Wiederbelebung der nationalen Krafte. Durch Forderung der " Motor- freundlichkeit " und Steigerung des " Verkehrsbediirfnisses " will Deutschlands hochster Autokrat die Schlacht um die Arbeitskraft gewinnen. Der Fiihrer ist der Uberzeugung, dass im deutschen Volke die Sehnsucht nach der Maschine und besonders nach dem Motor vorhanden ist. Diese Sehnsucht wird durch Schaffung des Volkswagens befriedigt werden. Neue Kauferschichten werden erschlossen. Das Auto wird nicht mehr das Symbol eines bestirnmten Klassen-und Standesvorrechts sein. Stan des Kommunismus wird das Auto allen Volksteilen gemeinsam sein und sie einander gleich machen.

Die Preise fiir Autos schwanken heute in Deutschland zwischen 36.500 Mark und dem hundertsten Teil dieser Somme, fin welchen Betrag man noch ein sehr anstandiges antiquarisches Auto bekommt. Was von der Kritik ziemlich schfichtem angedeutet wig!, ist der Oberfluss an Typen.

Kleinwagen, bis 1.5 Liter Zylindergehalt, sind in zehn Typen vertreten ; Mittelwagen, mit ihrem bis zu 3.6 und Gross- wagen mit hoherem Zylindergehalt, sie sind in mannigfaltigen Formen vertreten. Allgemein fait eine grossere Farber.- freudigkeit bei den Wagen gegeniiber den Vorjahren auf. Daneben interessieren neue Formen des Kiihlers, der Karosserie, " windschnittige " Linien. Fiir den Faclunann 1st der " Glaseme Motor " der Hohepunkt der Schau. Diesc aus Kunstharz gefertigte Röntgen-Skulptur lasst einen das Wunder des exakt arbeitenden Motors buchstablich " durchschauen."

" Semen wir Deutschland in den Sattel ; reiten wird es schon konnen," sagte Herr Bismarck am 11. Marz 1867.

Nach siebzig Jahren heisst es nun " Semen wir Deutschland ins Auto ; fahren wird es schon konnen." Wer aber Weiss, wohin die Reise geht ?