4 OCTOBER 1935, Page 15

Oktoberfest

[Von eineni Deutschen Korrespondenter] Dan grosse Mfinchner Jahrmarkt, der auf der Theresienwick all-jahrlich im Herbste stattfindet, ist unter dem Namen Oktoberfest in der ganzen Welt bekannt. Tausende von Fremden kommen hier zusamnten, urn den einhehnisehen Bayern in seiner bierseligen Gemfitlichkeit -kennel' zu lemon.

Denn Bayern ist jenes deutsche. Land, das sich am, langsten seine Eigenart bewahrt hat. Der bayrische Dickschadel, sprichwOrtlich im Zustand der Gemialichkeit, aber such der Streitsueht, ist nur im sfidlichsten Lande Deutsehlands vorstellbar. Denn nut bier konnte jene Mischung aus Bier, Bauerntum und Christentum entstehcn und durch die Jahr- hunderte gedeihen.

Das Miinchner Oktoberfest ist ein Volksfest fm wahrsten Sinne des Worths. Hier gibt es keinen Unterschied der Basso und der Klasse, denn alle, Stadt und Land, hock und niedrig, arm and reich, sind Glieder einer einzigen grossen Gemeinde, die bier in Bayern auch im Dritten Reich stark und machtig geblieben ist. Das ist die katholisehe Kirche, die bier in Kirchen, Kapellen und Kaistern ihrc unbesiegbaren Festungen erriehtet lint. Der bayrisehe Bauer ist frornm, einfaltig mid autoritiitsglaubig ; nicht umsonst nahm die Hitlerbewegung von hier ihren Ausgang. Der Kampf auf der Scholle um die Scholle erfordert Kraft und Zahigkeit. Darum liebt der Bauer flack der harten Arbeit ein frolics Fest.

In diesem Jahre feiert das sehtine Miinchen ein Jubilaums- Oktoberfest. Denn dieses Fest kann heuer auf die stattliche Reihe von 125 Vorgangern zurfickschauen. Ludwig I. war es, der mitten in den napoleonisehen Wirren chews Fest begrandete, als er sich mit der schonen Therese von Hild- burghausen vermahlte. Seitdem heisst die Wiese, auf der dicks Fest stattfand, die Theresienwiese. Munchen zahlte damals etwa 50,000 Einwohner, und fast die ganzc Stadt strOmte auf diesen grossen Feld zusammen, um die Pferderen- nen zu bewundem, die damals im Mittelpunkt des Festes standen. Aber auch diese Pferderennen sind nicht erst hun- dent Jahre alt. Denn schon fin Mittelalter fanden hier die sogenannteu Scharlachrennen statt, bei denen der siegreiche Reiter eine scharlachrote Fahne erhiclt. Die Pferderennen und der sogenannte Schaillertanz, ausgefiihrt von den Hand- werkern, die " Sehaffel," das sind hOlzerne Wassergeftisse, inachen, bilden den historischen Ralunen fur ein volkstiimbeli derbes Treiben, das sich in ungeheuren Ess- mid Trink-Orgicit austobt. Fiinfzigtausend Hiihner und hunderttausend Fische nehmen den Weg alles Fleisches, andcrthalb Millionen Liter Bier erzeugen jene Stimmung der Gemiitlichkeit, die sich dann in Jodlem, Schuhplattlem und. Raufereien aninutig entladt.

Aber nicht nur der Magen alley Einheimischen und Fremden wird bier befriedigt ; auch das Auge kommt auf seine Kosten.

Eine Ausstellung eehter Kostiine and Trachten, eM Aufzug von zehntausend Scluatzen, ein historischer Festzug mit aeht- hundert Statisten konnte alle Sehaulustigen erfreuen. 1m Historisehen Stadtmuseum 1st ausserdem eine Jublitiums-.

Schau aufgebaut, die uns eine kulturgeschichtliche Wanderung durch das Dutzend der Jahrzehnte ermoglichen. Den Mate- punkt des Ganzen aber bildete wie auch sonst der zweite Sonntag des Festes, diesmal der letzte im September, mit seine m sechstausend Meter langen Festzug, der unter dem Sinnspruch " Stolze Stadt—frOhlich Land " noch.einmal alley zusammen- fasste, was Lederhosen und Dirndlkleider trtigt. EM Prosit der Gemiltlichkeit I Der Miinehner versteht es Feste zu feiern. Naeh der acht- tagigen Militarparade,.. von ,Nfirnberg 1st dieses bilrgerliche, trotz der Schiltzen sehr zivilistische Volksfest gerade der-rich- tige Ausgleich fur den bayrischen " Wastl." Wenn die Boller erst krachen, wenn die Wirte vierspannig angefahren kommen, wenn das Ehrenfass angestochen und der Umtrunk aus schmilekten Masskriigen den Ehrengiisten kredenzt wird, dam. sind vor der Majestat des irdenen Masskrugs alle gleieh ; jede Individualitat verschwindet im geoffncten Mund, in dem die Riesenmassen von Speis und Trank rasend schnell ver- • sehwinden und aus dem als Echo abwechselnd Lieder und Jodler erschallen.

Und fiber Larm, Lachen und Lied thront erhaben die Status der Bavaria, Schutzeittin dieses lieblichen Landes. Prosit