5 JANUARY 1934, Page 17

Frankfurter Auto-Bahnhof

[VON EINEM DEUTSCHEN KORRESPONDENTEN] SEIT der Erfindung des Dampfrosses ist die Stadt Frankfurt-am-Main schon immer em n sehr wichtiger Zentmlpunkt im deutschen Eisenbahnnetz gewesen. Hier schnitten sich Hauptlinien, die von Norden nach Sueden fuehrten; mit solchen, die in ost-westlicher Richtung gingen. Auch im Flugverkehr beginnt die zentrale Lage der ehemaligen freien Reichsstadt ihr eine besondere Geltung zu geben. Tatsachlich liegt sie ja nicht nur an einem wiehtigen Schnittpunkt der Mittelfinie Deutschlands, sic ist sogar gewissermassen der Ilerzpunkt des europalschen Kontinents. So wird ihr bei dem beginnenden Ausbau eines deutschen Netzes von Autobahnen, die sich ja wohl sehr bald ueber die Grenzen hinweg fortsetzen werden, eine noch viel grossere Bedeutung zufallen. Dies ist von den Konstrukteuren der neuen Autostmssen bereits erkannt worden. Sic haben Plane ausgearbeitet, unter denen die Stadt Frank- furt einen Autobahnhof erhalten soil, der ganz einzigartig sein wird.

Der Frankfurter Autobahnhof wird mitten im Stadt- wald, also einige Kilometer ausserhalb der Stadt liegen. Er -wird die Stelle sein, an der sich die grossen Routen sehneiden werden. Deshalb muessen dort nicht nur Ausweichstellen, Lager, und grosse Platze, die wie Drehstheiben sind, geschaffen werden, es muss auch Raum fuer die Reihen der Autos, die em n paar Stunden odes einige Tage Aufenthalt einlegen, ztu. Verfuegung stehen. Sic brauchen Begegnungspunkte, sic brauchen Grossgaragen und Werkstatten. Sic brauchen Anitsraume mid Einrichtungen der Post; sic brauchen Unterkunfts- raume fuer die Mensehen. Zu dem Bahnhof wird alles gehoren, was notig ist : der Wegweiser und die Wetter- warte, die Tankstelle mid die Reparaturwerkstatt, der Erfrischungsraum und die Schlafstatte, und in der Nahe wird der rieue Flugplatz zu finden sein, so dass Flugverkehr und Autoverkehr sich gegenseitig leicht erganz,en konnen. Vielleicht wird der Luftbahnhof sogar Seite an Seite des Autobahnhofs liegen. Jedenfalls sollen beide die Tribuenen mid die Gebiiude gemeinsam teilen. Flugzeug und Auto sind ja zu zwei eng mit einander verwandten Mitteln der Raumueberwindung in unserer modernen Zeit geworden. In der Niihe dieser beiden Bahnhtife werden ausserdem die grossen Arenen, die Waldbuehne, die Seliwimmbecken des Frankfurter Stations liegen, das in seiner grossartigen Anlage sick internationaler Bewunderung erfreut.

Es mag sein, dass die neuen Verkehrseinrichtungeu der etwas schlafrigen Stadt Frankfurt nem Impulse geben werden. In der Naehkriegszeit batten sich andere deutsche Provinzstadte, wie Stuttgart und Kohn, machtig entwickelt, wahrend Frankfurt, die alte ehrwuerdige Kaiserstadt, im Vergleich dazu einiger- massen zurueckgeblieben war. Als Mittelpunkt des neuzeitlichen Verkehrsnetzes in der Luft und auf der Erde mag es aber in der Zukunft einen neuen Aufstieg nehmen. Im Autobahnnetz wird jedenfalls seine Rolle eine sehr wichtige sein. Von Konigsberg, wie von Kiel mid von Köln werden tort die Strassen zusammen- schiessen und welter nach Saarbrueeken, nach Konstanz und Muenchen strahlen. Die Karte der Konstrukteure zeigt, dass selbst in Berlin, in Erfurt, in Koln, in Stuttgart oder in Augsburg jedesmal nicht mehr als drei der neuen Autobahnen zusammenlaufen werden. Sic macht auf den ersten Blick klar, wie der Schwerpunkt der Verteilung und Umschaltung der KraftstrOme, die den Erdausschnitt Deutschland von Grenzpunkt zu Grenzpunkt durchlaufen, nirgend anders als in Frankfurt ist. So wird der Frankfurter Autobalinhof zu einem Clearing-house werden, wo ein Stueck Welt- verkehr mit rasenden Motoren zusammenstromen und sich aufs Neue ordnen wird.

Es ist ein Zukunftsbild, urn das es sich einstweilen handelt. Aber schon ist der erste, der nach Sueden fuehrende Abschnitt im Bau. Er wird planniassig nach alien Richtungen weitergefuehrt wcrden. Was heute Projekt ist, wird in wenigen Jahren Wirklichkeit sein. Frankfurt—Rom, Frankfurt—Paris, Frankfurt — London, Frankfurt—Berlin, Frankfurt—Prag, Frankfurt —Wien—Budapest und Konstantinopel, so werden in nicht zu langer Zeit die Strahlen heissen, die im System der neuen Autobahnen von der alten deutschen Kaiserstadt ausgehen werden.