6 AUGUST 1937, Page 17

OPEL VON RUSSELSHEIM ,

[Von einem deutschen Korrespondenteaj

VOR fiinfundsiebzig Jahren erschien im Gross-Geranier Kreisblatt ein Inserat " Adam Opel, Mechaniker in Riisselsheim, empfiehlt selbstgefertigte Nithemaschienen slier Art, nach des neuesten Construction, zu festen und billigen Preisen." Damals war Riisselsheim ein kleines Stadtchen am Untermain, nahe von Mainz, Adam Opel ein kleiner Schneider- meister und seine Fabrik war ein alter Kuhstall. Der Meister

Opel, der in Paris die grosse Welt kennen gelernt hatte, verfer- .

ngte hier ganz allein Nahmaschinen, die zehnmal schneller arbeiten konnten als Schneider und Schuster mit ihren Minden. Er hatte Erfolg, der Adam Opel ; bald konnte 'er einen Arbeiter beschaftigen, Peter Schafer drehte das grosse Schwungrad fiir die Drehbank. Spates kam nosh Bruder Georg aus Paris. So waren es sogar schon drei. In - •

euugen Jahren aber stand an der S telle des alt:ns Kuhstalls schon eine Fabrik, die mit Dampf betrieben wurde und die nicht weniger als vierzig Mann beschaftigte.

Von da an beginnt die Dynastic der Opel, die aus einem Kuhstall die grosste Automobilfabrik Deutschlands gemacht haben. Adam, der erste Mann aus diesem Geschlecht, fabrizierte nur Nahmaschinen. Seine fiinf Sohne gehen, oder " laufen " einen Schritt weiter, mit der " Laufmaschine." Diese wurde erfunden von dem Freiherrn von Drais und zuerst auch Draisine genannt. Karl von Drais hatte als badischer Oberforster dieses Zweirad erfunden, auf dem der Fahrer in einem Sattelsitz sitzend, sich durch Abstossen mit den Fiissen schnell und sicher vorwarts bewegte. Adams fiinf &Mine waren begeisterte Anhanger des Fahrrads, damals auch Velocepede oder Dandy-horse oder scherzhaft Knochen- schintler genannt. Die Burschen bauen nun ebenfalls solche Laufrader und probieren sic auch selbst bei den Velocipede- Rennen ins Frankfurter Palmengarten aus. Die Rader gehen besser als die Nahmaschinen, fiir fiinf Rader bekommen sic so viel wie fiir zwanzig Nahmaschinen. So verlegt sich die Firma Opel auf den Bau von Fahntidern. Fiinfinnizwanzig Jahre nach dem Kuhstall wird eine neue grosse Fabrik errichtet. Ein riesiges Fahrrad ist auf dem Dache als Wahrzeichen aufmontiert. Die Herrschaft Opel II. hat angefangen.

Opel III. beginnt mit d-m Bau von Automobilen. Der alte Adam wollte zwar von den " Stinkkutschen " nichts wissen. Aber die Enkel, vor allem Carl und Fritz, basteln und bauen unermiidlich an dem geheimnisvollen Ding herum, das man Explosionsmotor nennt. Im einsamen Wald von Riisselheim arbeiten die Herren der Opelwerke mit olschwarzen Hiinden und im verschmierten Mechanikerkittel an " ihrem " Wagen. In kurzer Zeit sind sic so weit. Der " Opel " ist geboren. Mit ihrem Wagen fahren sic auf den Feldberg zu einer Kaffeefahrt und bei dem ersten deutschen Bergrennen auf den Ktinigstuhl bei Heidelberg erzielt der Qpel-Lutzmann die " ungeheure " Geschwindigkeit von dreissig Stundenkilometern.

Dann kommen Krieg, Revolution, Inflation. Es gibt keine Kohien mehr, kein Stahl aus dem besetzten Ruhrgebiet. Keine Gussstiicke sind zu haben, auch keine Kurbelwellen and vor allem kein Geld. Die Fabrik muss stillgelegt werden. Ist das das Ende der Opel ?

Der Geist des alien Adam ergibt sich nicht. Fritz Opel, der Sprecher der dritten Dynastic, findet den erlOsenden Ausweg. Stan der grossen Luxuswagen sollen von nun an kleine billige Serienwagen erzeugt werden. Die Geburtsstunde des kleinen Opel hat geschlagen.

So erscheint bereits ein Jahr nach Ruhrinvasion und Inflation der " Laubfrosch," ein winziger Zweisitzer, grim gefirbt, ein Zwerg unter den bisher iiblichen Autoriesen. Man beginnt mit einem Tagesprogramm von fiinfundzwanzig Wagen. Bald steigt die Nachfrage. Man muss taglich hundert, spiiter hundertzworoig Automobile herstellen. Unermiidlich wird der Wagen verbessert, alle Erfindungen der Industrie und Technik werden untersucht, ausgenutzt und verarbeitet. So sind wir heute, im Jubiliumsjahr, mit dem Typ " P 4 " nicht am Ende, sondern mitten im Strom einer machtigen Entwicklung.

Am 9. August gibt es ein dreifaches Jubilaum. Vor 10 Jahren wurde Adam I Opel geboren, vor 75 Jahren wurden die Opel-Werke gegriindet und vor Soo Jahren wurde das kleine Riisselsheim, heute Sitz der grossten deutschen Auto- werke, Stadt. Das Stadtchen mit seinen achttausend Ein- wohnern und seinen zweitausend Opelarbeitem hat alle Ursache, auf seine " Opel," Manner wie Maschinen, stolz zu sein.