11 JUNE 1937, Page 16

• - TAUCHNITZ CENTENARY

[Von einem deutschen Korrespondenten]

AM 2. Juni, 1837, griindete der zwanzigjahrige Buchhandler Christian Bernhard Tauchnitz in Leipzig einen Verlag, der mehr zur Verstandigtmg zwischen Deutschland und England beigetragen hat als irgend em n anderes Ereignis in der Welt.

Wer hat sic nicht schon einmal in der Hand gehabt, diese ldeinen handlichen Bandchen, die man in jeder Tasche oder

Handtasche bequem unterbringen kann. Welcher Englander oder Amerikaner hat sie nicht mit entziickten oder geriihrten Augen erblickti in den deutschen Schaufenstem, feme von seiner Heimat, die Zeugen von der Grosse seines Landes. Und welcher Deutsche verdankt nicht einigen von diesen ftinftausend Titeln seine Aufklarung und seine Liebe fiir emn Land, das er kennen lernte, bevor er es betrat.

Die Tauchnitz Edition mit dem Untertitel "Collection of British and American Authors" ist auf den Kantinent be- schrankt. Auf jedem Bandchen stehen die Worte "Not to be introduced into the British Empire and U.S.A.", gleich der Oberschrift von Dantes Mille. Aber es gibt kaum eine englische Familie, die nicht-*-schon aus Ktuiositat—sich einige dieser Bandchen aus Deutschland oder Frankreich mitgebracht hatte. Nur als Andenken natiirlich !

Bernhard Tauchnitz, der Begriinder der Tauchnitz Edition, kam aus einer alten Buchhandler-und Verleger-Firina. Stin Onkel Karl Tauchnitz hatte noch im achtzehnten Jahrhundert eine Buchdruckerei und Schriftgiesserei eroffnet und als erster in Deutschland die Stereotypic eingefiihrt.- Er brachte Bibeln, griechische und rOmische Klassiker, den Koran und Worterbiicher heraus. Seth Sohn Karl II. filhrte das -Geschaft bis 1865 fort und hinterliess sein grosses, durch Bibeln, Klassiker und Worterbficher erworbenes Vermagen von vier Millionen Mark der Stadt Leipzig fiir wohltatige Zwecke als " Stiftung eines Menschenfreundes."

Die jiingere Linie der Tauchnitz wurde nach dem Tode ihres Begriinders Bernhard, der als Baron und groisbritan- nischer General-konsul im Jahre 1895 fast fiinfundsiebzig- jahrig starb, von seinem Sohne Bernhard H. weitergefiihrt. Dieser Sohn war seit 1866 Teilhaber des Geschaftes, das er 1921, als er als Achtzigjahriger starb, seinem Sohn Bernhard III. vererbte. Aber bereits 1934 hone die Dynastic der Tauchnitz auf zu regieren. Der Verlag wurde von der Firma Oscar Brandstetter in Leipzig iibemommen, unter Umstanden, die bis heute noch nicht v011ig aufgeklart sind. Auch "The Albatross," der jiingere Briider der Tauchnitz- Serie hat mit semen Autoren, den Arlen, Belloc, Conrad, Dunsany, Erskine, &c., sein Nest von Hamburg nach Paris verlegen miissen . . .

Der alte Tauchnitz war jedenfalls em n Gentleman. 'Er hat als erster deutscher Verleger seine Autoren nicht aus- gepliindert, sondem sogar honoriert. Es hat damals noch keinen Urheberrechtsschutz gegeben, aber Bernhard Tauch- nitz less dies nicht seine Autoren entgelten. Im Gegenteil, die englischen und amerilcanischen Schriftsteller bestatigen ihm immer wieder in Briefen ihre Darikbarkeit. Baron Tauchnitz veranlasst 1871 den .ersten Copyright-Vertrag zwischen England, Preussen und Sachsen und ist an der "Berner Obereinkunft zum Schutz von Werken der Liteiatur und Kunst" von 2886 wesentlich beteiligt. Die Diktatur, die die Einfuhr von Tauchnitz43uchern nach England ver- bietet, ist nicht seine Schuld.

Die Tauchnitz Edition zahlt 5.260 Titel, die in vierzig Millionen Banden verbreitet sind. ES ist also in den letzten. hundert Jahren in jeder Woche eiri Band erschienen. Ein Mann, der alle Bande dieser Ausgabe leSeh wollte; brauchte bei taglich achstundiger Lesezeit rund 5.000 Jahre, um sich durchzulesen !

Die Bandchen, die jetzt 2. Mark '-kOsten, erscheinen seit 193-4- in etwas inadernisiertei Aiifmachting. An den- Um- - schiligen erliennt mari den Inhalt des Bandchens : blau sind LieheSrairiane;giiiti. Sind* die Reiseliiicher, orange-die- HumOr-

hitcher,iot die* . - • . . . Langsarn beginnt die Idee :des MasSenbuchet von DetitsCh- land aus; das der Welt die ReClarni, Tauchnitz-, GOsehe'n-,

Insel-, Teubner-, Kroner-, Fisher-, Zellen-, Meyer-,_ &c. Bucher gesclienit h;4; auch in anderen Landern festen Fuss zu fassen.. Zur Freude des i.eserS',-dg VerIegers und—last not least-des Autors ! F. G.