GARTEN UND HELM
[Von einem deutschen ICorrespondenten) DER Garten steht in Deutschland in dem gleichen hohen Ansehen wie in England. Die Weltanschauung des Mitten Reiches kommt dem Bestreben des Deutschen entgegen, sich abzuschliessen und in seiner freien Zeit im Rahmen seiner Familie an allen miiglichen Dingen herum zubasteln. Der Weg der Entwicidung geht heute in Deutschland zuriick ; von den grossen gemeinschaftlich bewirtschafteten Siedlungsblocks zu dem Kleinsiedlungshaus, dem Einfamilienhaus und dem Wochenencihaus. In dem Gang dieser Entwicklung spielt naturlich auch der Garten eine grosse Rolle.
Die grosse Dresdner Gartenschau, die im Grossen Garten jetzt zu sehen ist, tragt den Titel " Garten und Heim." Dieser Titel scheint uns sehr gliicklich gewahlt. Denn zu dem Begriff des Heimes gehort nun einmal der anschliessende Garten. Andererseits ist ein Garten erst dann sizmvoll, wenn er ein Heim schrniickt. So steht diese Garten- ausstellung durchaus im Zeichen des bekannten Sprichwortes " Klein, aber mein." Schon Johann Nestroy, der geniale Satiriker des Vormiirz, lasst in einer seiner Komodien einen stolzen Kleinbiirger von seinem Heime prahlen : " Mein Haus ist zwar nicht gross ; aber dafilr ist es klein und nett ! " Diesen Begriff der Nettigkeit versucht heute die deutsche Architektur in allen Variationen als deutsche Geschmacksnorm durchzuffihren. Sowohl die Haus-Architekten wie auch die Garten-Architekten, heute auch Gartengestalter genannt, bemiihen sich, jenem Eestreben nach Individualitat, dem letzten schabigen Rest der verflossenen liberalen Epoche, in der Gestaltung der Wohnhauschen gerecht zu werden. Tags- iiber, im Betrieb, beim Sport, bei der Politik, da muss der Deutsche wohl oder libel ein Herdenvieh sein, ein Gemein- schaftsmensch, der sich der Volksgemeinschaft nicht entziehen kann. Urn so starker ist sein Bediirfnis, in den paar Stunden, in denen er zu Hause und sein eigener Herr ist, diesem Zwang zu entziehen. So erblicken wir verschiedene Typen dieser komfortablen " Schneckenhauser," in die sich der erschopfte Volksgenosse nach des Tages Miihen zurikkziehen kann. Ein solcher Typ heisst " Wochenendgarten am Teich (wach- sendes Kleinhans) " und ein anderes Model zeigt : " Das kleine Eigenheim," erbaut vom Architekten Peter Heyne, eine niedliche Miniaturvilla, deren Garten von der Dresdner Stadtgartenverwaltung entworfen wurde. Die Einfamilien- Siedlungshauser sind ziemlich uniform ; zweistockig, mit hohem Dachgiebel und mit eingeziiumten Gartchen. Neben dem Einfamilienhaus gibt es auch einen Typus " Arbeiter- Volkswohnungen," wo drei Familien untergebracht sind, die sich dann allerdings gemeinsam in den einen Garten teilen miissen.
Dieser Garten hat naturgemass zwei Seiten. Er kann als Nutzgarten das Budget der sorgenden Hausfrau erleichtern, indem er Gemiise, Obst and indirekt such animalische Pro- dukte, Eier und Hiihner, liefert. Er kann aber auch lediglich als Ziergarten wirken und der Familie jede Moglichkeit zur gartnerischen Betatigtmg liefern. Den eigentlichen Garten, also den Schmuck-oder Ziergarten, sozusagen den Garten an sich, vorzufiihren, dazu wurden hier in Dresden die grossen Ausstellungs-Hallen mit einbezogen. Denn nur diese Hallen- sonderschauen konnen uns ein richtiges Bild von der bunten Fiille geben, die wir iiberquellenden Blumenmassen verdanken. In den riesigen Hallen mit Oberlicht und weissen und grauen Bespannungen trinkt das Auge, " was die Wimper halt " von dem Blau and Violett der Hyazinthen, der bunten Fiille der Cinerarien, den gliihenden Ballen der Rhododendren, der Keuschheit der Rosen, dem Kerzenwunder der Tulpen and den anderen strahlenden Kestlichkeiten einer ebenso schonen wie verganglichen Welt.
Neben dem Zweckgarten des Siedlers und dem Ziergarten des Burgers steht der Massengarten des Stadters. Hier bildet sich in Deutschland eine neue Art—oder Unart—von Gartenbetrieb heraus, der mit Cafés, Kino, Massenbad, Minaturbahn, Sportplatz und Tanzstatten einen neuen sozialen Typ darstellt, der scheinbar ebenso unaufhaltsam wie unan- genehm ist. Die alten Garten, wir meinen im Gegensatz zu den englischen Garten die offentlichen Garten, die weder eingezaunt noch abgesperrt werden, wo man seinen Spazier- gang in Frieden machen konnte, sterben aus. Der neuc Typ entspricht dem neuen Menschen. Er ist nicht sehr erfreulich.
F. G.