Leopold von Hoesch
[Von einem deutschen Korrespondenten]
VOR einigen wenigen Woehen noch sateen wir ihn in dem schonen -Festsaal der Londoner Universitat. Mit der Freundlichkeit eines Weltmannes und mit der Gewandtheit eines Diplomaten stellte er dem Londoner Publikum den Dichter und Denker Erwin Guido Kolbenheyer vor. Keiner, der damals Herrn von Hoesch sah, konnte sein nahes Endeahnen.
Die Worte, die der Diplomat seinem schriftstellernden Volksgenossen zur Einfiihrung widmete, waren ebenso glatt wie formvollendet. Diese seine Doppelbegabung, ausgepragt in einer kfinstlerischen: Gestaltimgskraft wie in der Kunst, Gedanken kunstvoll zu verbergen, erganzte auf das beste die etwas dunklen und schwerbliitigen Worte des Dichters, so dass Professor Willoughby abschliessend ebenso witzig wie richtig Diplomat und Dichter mit Antonio und Tasso vergleichen konnte. Dieser Abend, gewidmet dem deutsehen Roman, liiftete etwas von dem Geheimnis, das fiber dem gegenwartigen Drama in Deutschland liegt. Und einer seiner bedeutendsten Repriisentanten ist nun gestorben.
Leopold von Hoesch kam aus Dresden, was man aber dem dialektfrei spreehenden und stets aberkorrekt gekleideten Gentleman niemaLs anmerkte. Hier kam cr am 10. Juni 1881 zur Welt. Vaterlicherseits entstanunte der Diplomat einer beriihmten Dortmunder Grossindrestriellen-Familie, mutter- licherseits kam er ebenfalls aus der Industrie, nainlich von der Industriellen-Familie Schaller. Die Hoesch-Eisen-und Stahl-Werke in Dortmund, von Grossvater Hoesch begriindet, gehliren noch heute zu den wichtigsten Unternelunen ina Ruhrgebiet. 'Water Hoesch erwarb sich Verdienste um die Eisenindustrie in Sachsen und wurde dafiir worn letzten Konig von Sachsen geadelt. Mit solchen Vorfahren trefflich ausgestattet, startete der Sechsundzwanzigjahrige nach Vollendung seiner juristischen Studien im diplomatischen Dienst. Er begann seine Karriere im Fernen Osten, als Botschafts-Attache in Peking. Spates fahrte ihn sein Berta kreuz und quer dureh Europa. Im hohen Norden, in Petersburg, beginnend, zog der junge Diplomat dann direkt nach Siiden, nhmlich nach Madrid. Nach einer kurzen Diensttiitigkeit in Paris kam Herr von Hoesch als drifter Gesandschafts-Sekretar naeh London, wo er drei Jahre lang his zum Weltkrieg weilte. Im Kriege arbeitete der 1)iploinat in Sofia und Konstantinopel und spater in Berlin, wo er. wegen seiner pessimistischen Prognoses etwas aus dem dort Iandesablichen Diplomatendiinkel fiel. Die Republik nahm Herrn von Hoesch wieder in ihre Dienste. Er vertrat Deutschland in Oslo turd Madrid.
Jahre 1921 begann Leopold von Hoesch seine Tatigkeit in Paris. Zuerst als Botsehaftsrat, hierauf als Charge- d'Affaires, schliesslich, nach der Liquidierung des Ruhr-Aben- teuers, als Botschafter. In Paris hatte Hoesch, das Vertrauen von Briand wie von Poineare and konnte so die Lithe Stresemanns zur Pazifisierung Europas wirkungsvoll vertreten. Dann aber kam der Johannes des Dritten Retches, Herr von Papers, an die Regierung. Herr von .Neurath musste von der Botschaft in London nach dem deutschen Aussenamt. iibersiecleln und Herr von Hoesch musste Paris mit London vertauschen.
In London hat es Herr von Hgesch nur zur Halite seiner Pariser Amtsjahre gebracht. Er war unablassig - um die Vertiefung der deutschenglischen Freundschaft bernaht ; die breite Welle von Nazibegeisterung im gegenwartigen England ist zum grossen Teil ihm zu verdanken. Sehliesslich aber war sein angegriffenes Herz den Anstrengungen rind Aufre- gungen der letzten Tage nicht meter gewachsen ; gerade am Karfreitag ging der Passiomweg eines einsamen Mensehen zuende.
In den letzten Tagen iibergab Herr von. Hoesch noch persathich in einer Veranstaltung von All Peoples Association ein Buch-desehenk vom Priisidenten der Berliner Gruppe, dem Zeppelin-Kapitlin Eckener, an die Londoner Grtippe. Wissen zu verbreiten, Freundschaft zn stiften,- sich zu den Verfolgten zu belcennen—unter diesem Drefirlang ging er von uns. Er hinterlasst eine Lficke, die kaum zu schliessen sein wird. Denn es sind wenige seinesgleiehen, die still, wiirdig und vorurteilslos einem ewigen -Deutschland dienen, das ihm wenig Dank wusste und das ihm sehliesslieh, mitten
in der Fiille des Lebens, das Herz brach.. F. G.