- Moor im Herbst [Von einem deutschen Korresponclenten] JETZT ist
es Zeit, durchs Moor .zu wandern, Wenn die gelben und roten Blotter tot auf der bratinen'Ente liegen, wenn die Zugvaget sich zwitschernd zur grosSen Reise nach dein. Siiden versammeln, and wenn der rauhe Nordwind vom Meer malmt : Der Winter naht ! "
Zwischen den beiden Hansestadten Haniburg und Bremen breitet sich die Llineburger Heide, tief ins Hannoversche hinein. Weit streicht die Biitie vom Meer ins offene un- gesehiltzte Land. Und Jahrhunderte lang brachtedatich die Wogen Tod und Zerstarung ins Festland hinein, ehe sie clef Mensch zahnien konnte.
Die Heide ist viel besungen und geschildert worden, am besten wohl vom Jager Hermann Liins, der in diesen Tagen siebzig Jahre alt gewOrden ware, and dessen arische Absta,m- mung eine Zeit king heftig umstritten wurde, and der dock schon seit zwanzig Jahren als Weltkriegsopfer irgendwo in der Heide begrabEn ruht. Es gibt wohl kaum einen " Krug," wie sich die Wirtshauser in der Nordwestecke Deutschlands nennen, in dem nicht dieser` J tiger, Sanger and `Solclat Lons eingekehrt war,—wenigstens versichern es so die Herren Wirte. Hat Lons Heide and Moor dichterisch entdeckt, su haben. die Worpsweder these einmalige Landschaft kfinst- leriich erfasst. Von Osterholz und Oslebshausen fiber Olden- burg und OchOlt each Ogenbargen and Osteel in Osttriesland; das Sind schon ordentliche Oktoberfahrten !
Das grosste Wunder dieser Landschaft ist ihr Friede. Es gibt kaum eine andere Gegend in Deutschland, die sucinsam, so unberiilut on Larm und Lehen ist wie diese,s bunte, schweriniiiige Land. Die ganze Gegend, viele hung derte Morgen umfassend, steht unter dem Gesetz zweier Iiraftegruppen. Die eine, die statische, wird von dem Boden hervorgebraeht, der -Marsch oder Geest genarint wird, je nachdem er als Marsch ein aus Meeresschlickgebildeter fetter Wiesen,und Viehzucht-Boden oder als Geest ein Stuck sandige and trockene Erde ist. Die andere--dynamiselie-- Gruppe wird von den Gezeiten gebildet, deren crescendci und diminuendo in Flut and .Ebbe das Leben bestimmt.
Das Moor, das in Deutschland ffinfundzwanzigtausend Quadratkilometer tunfasst, erscheint als Flach-oder Wiesen.: Moor and als Hoch-oder Torf-Moor. Die Urbarmachung der Moor-Gegenden in Deutschland gehorte bisher zu dem Wirtschaftsprogramm jeder Regierung. Aber die Verspre- chungen haben bisher noch nie dem tatsiichlich Geleisteten entsprochen. Weder Arbeitsdienst noch die Zwangsarbeit der palitischen Haftlinge von dem Lager Papenburg haben das Moor bezwungen. Hier sind noch ffir einen kommenden Faust weite Betatigungsfelder offen gelassen.
Nahe von Bremen befindet sich die Kiinstlerkolonie Worps- wede, durch Paula Becker, Heinrich Vogeler und Rainer Maria Rilke beriihmt geworden. Hier ist das Moor im Herbst am schOnsten. Das bunte Sterben in der Natur schafft die farbenspriffienden Bilder, fiir die das tote, dunkle Moor den eindrucksvollen Rahmen schafft.
Nach tagelanger erquickender Heidewanderung durch das Moor, durch Marsch and Geest, gelangt der Herbstwarxlerer an die Kfiste der Nordsee, hier " blanker Hans " genannt. Im schSnen Bogen sind der Kfiste die ostfriesischen Inseln vorgespannt, von Ems bis Weser Borkum, Juist, Nordeney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog, Wangeroge. Noch gibt die Sonne dem Meer genug Warme, um als Schwiinnur vom Sommer Abschied nehmen zu kannen. Auf dem Fe,stland grasser' die Bauernhofe auf dem kfinstlich erhahten Strand, den Warfen. Hinter den Deichen rollt dos Leben behaglich und geruhsam ab. Hier oben hat man Zeit. Heide, Sand Mid Iiieferwald gehoren zum Geest. Rindei'und Pferde grasen auf der Marsch.
Die Landgewinnung geht langsain aber sicher weiter. Stellenweise wird der Boden nach Morgen mit Walden und Steinen dem Meer abgelistet. Wenn die Heide erst blfiht, mit den kleinen lila Bluten, die sich stundenweit wie ein Meer nach alien Gegenden ausbreiten, dann hat ' das Moor seine schiinste Zeit ; dann klingt iiber dieser weiten Ebene, die hentenoch gleichsam ein Naturschutzpark der Ewigkeit ist, wie eine mahnende Glocke die trastende and crhebende Bot- schaft teethes "-Auf freiem Grund ein freits Volk zu- sehn . . ."
F. G. "