RUDOLF BINDING
[Von einem deutschen Korrespondentenl
MOZART erklang an seinem Grabe, in das Bayerns Berge griissten. Rudolf G. Binding, .Dichter and Reitersmann. der Sanger des Zeitlosen, der ewigen Werte von Kamerad- schaft und Ritterlichkeit, kehrte zuriick zur heimatlichen
Erde, die er fiber alles geliebt hatte. Er gehOrte zu den letzten, nun aussterbenden Typen eines adligen Menschen- schiages, der von Goethe bis Liliencron reichte. seinem
Grabe sprachen die Epigonen, Wortfiihrer der -Plebs and Delegierte des Dritten Reiches. Grabe sprachen die Epigonen, Wortfiihrer der -Plebs and Delegierte des Dritten Reiches.
Rudolf G. Binding—schon diese Signatur kennzeichnete den knappen fast geschaftsmassigen Mann—hat sein Leben beschrieben in dem ergreifenden Such " Erlebtes Leben." Lange bevor Freud uns den Mechanismus des Odipus- Komplex lehrte, stritt und litt hier ein Mensch im Schatten seines Vaters, von dem er sich nicht im Guten und nicht im Bfisen loslosen konnte. Die Vorkriegsgeneration kannte nur den Juristen Binding, den beriihmten Kriminalisten und Strafrechtslehrer, der vierzig Jahre lang als Professor in Leipzig wirkte und kurz each dem Krieg achtzigjiihrig starb. Rudolf Georg, der Sohn, • war damals ein Mann von fiinfzig Jahren. Ein pear schmale Bfichlein lagen von ilim vor, Gedichte, Ubersetzungen d'Annunzios und die:- Novelle " Opfergang," die heute in der Inselbiicherei eine sechsstellige Auflagenziffer erreicht hat.
Dann musste der Dichter Binding, der inzwischen seine juristischen Studien beendigt hatte, den Opfergang in den Krieg antreten. Der -Ernst clieses Lebens, das sich vor dem Kriege im Studium der Rechts—und Naturwissenschaften versucht hatte and durch eine schwere Nervenerkrankung etwas aufgelockert war, bewahrte sich auch im Felde, " schaud- ernd vor dem, was Menschen Menschen anzutun vermochten." Der heimkehrte, war noch einsamer, noch herber, noch melan- cholischer geworden. ,Der relic Mann trug schwer an dens Erbe, die Lucke der gefallenen Stadler and Trald auszufiffien. Dennoch begann er wieder von neuem. Als Bfirgermeister einer kleinen hessischen Stadt Buchschlag schwor er der Weimarer Republik Treue. Als Dichter verhehlte er niemals seine aristokratische und konservative Gesinnung. Diese konnte er am besten gestalten in Werken einer dichterischen Kleinkunst. Gedichte, Legenden, Novellen mid spiiter Reden bilden sein Werk, das heute ffinfzelm Bande umfasst. Abgesehen von der Autobiographic des " Erlebten Leben," die mit dem Tode des Vaters beinahe goetheisch schliesst, gibt es in diesem Werk weder Dramen noch Romane, Werke, die
sich an die Menge wenden.
Aber viele seiner Gedichte werden bestehen. Gedichte wie " Die goldenen Leiters," " Spruch fiir eine Sonnenuhr," " Erlbschen," " Ritt," " Fluchtmg," " Allein," " Gang .durch das. Tal," grenzen an Goethe und Legenden wie die zarte " Keuschheitslegende," . d.as Weihnachtsmarchen "Das Peitschchen," Novellen .wie, die " Moselfahrt aus Liebeskturuner," die Frauengeschichte " Unsterbliehkeit," der Bericht ans Hamburgs Cholerazeit " Opfergang " bleiben ebenfalls lebendig, auch bei wiederholtem Lesen. Die " Reitvorschrift fur eine Geliebte " und " Das Heiligttun der Pferde " kommen am der Welt des Kavalleristen, der seine vielen vierffissigen Freunde die " adeligsten Geschopfe der Welt " genannt hat. Nach dem Umbruch hat Binding nur noel Umarbeitungen bereits veroffendichter Gedichte und Legend= veroffentlicht ; die Rede " Antwort eines Deutschen an die Welt " bewies nur schmerilich; class weder Add der Gesinnung noch konservatives Lebensgefiihl einen zum Bleiben verurteilten Dichter vom Bekenntnis zur Barbarisierung
seines Vaterlandes zuriicklialten konnen.• • Was bleibt ? Ein paar. dfintie Bande, eine mach verblas- sende Erinnerung an ein schmales ernstes Gesicht, chi wenig Asche und die unvergiingliche " Grabschrift eines Manses " :
" Alles stirbt. Auch die Freunde sterben.
Sorget nicht urn mein Grab. Erde bedeck es.
Wind beleck es: Sonne beschein es.
Regen bewein es.
Treulos sind Menschentranen, Menschemarme und Menschenkiisse.
- Doch cure Herbe und Sosse ibr vier un.sterblichen Freunde, _ dringet zit mir hinab." .