UMBAU AUF EWIGKEIT
/Von einem deutschen Korrespondenten]
DER BERLINER pflegte schon immer auf die Frage, was fiir ihn das am meisten charakteristische in seiner Vaterstadt sei, halb stolz und hall) argerlich zu antworten : " Berlin wird ewig umgebaut ! " Nie ist diese Behauptung wahrer gewesen als heute, da auf der Grossenwahn des Kaiserreiches der Fiihrer- wahn des Dritten Reiches folgte. Berlin wird heute nicht nur ewig umgebaut ; es wird auf ewig umgebaut. Man rechnet nicht in Jahren und Jahrzehnten, sondern nur in Jahrhunderten und Jahrtausenden. Das Wort "Ewigkeit " von Johann Sebastian Bach in seiner beriihmten Kantate als Donnerwort angestaunt, ist heute in Deutschland iiberall gebrauchlich. Als z.B. Herrn Goring ein TOchterlein geschenkt wurde, wiinschte das Berliner Tageblatt," dass das Gliick dieser Stunde der Farnilie Goring ewig beschieden rein mOge."
Im Zeichen einer solchen " Ewigkeit " vollzieht sich also auch der Umbau Berlins, zu dem der Fiihrer im sechsten Jahre seiner ewigen Herrschaft den ersten Spatenstich getan hat. Von nun an soil dieser Umbau mit der grossten Beschleunigung, fieberhaft und auch schiagartig, vor sich gehen, denn die Ewigkeit kann nicht warten. Nordstid-und Ostwcst-Achse treten als stadtepolitische Komponenten zu der bereits vor- handenen weltpolitischen Berlin-Rom-Achse. Dazu kommen noch viele andere grosse Veranderungen, Verlegung der Siegessaule, Umbau des Tiergartens, Abtragung der Sieges- allee, Umleitung des Spreeflusses, Neubau des Regicrungs- viertels, der Reichsbahn, der Schnellbahn und anderes mehr.
Ein adolphinisches Zeitalter ist fiber die Reichshauptstadt hereingebrochen, die sich selbst kaum wieder erkennen wird. Das Tempo ist enorm. Das bekanntc Sprichwort " Keinen Stein auf dem andern lassen," hier wirds Ereignis. Ganz Berlin gleicht einem einzigen riesigen Bauplatz. Auf, uber und unter der Erde wird gearbeitet. Dieser Umbau fiir die Ewigkeit scheint aber kaum die Berliner sehr begeistert zu haben ; der Fiihrer lathe sich gentitigt, den Norglern in dem fur ihn so bezeichnendem Stile zuzurufen : " rind die Nach- welt wird das, was heute vielleicht nicht allc verstehen, dann einmal als einen segensreichen Entschluss cmpfinden und seine Durchfiihrung als ein grosses Gluck ansehen ! "
Die Grundsteinlcgung zum Haus des Fremdenverkehres war ein grosses Spektakelstiick. Zweihundert Fahnen ilber der Baustelle, das Berliner Wappentier, der Bar, flankiert von zwei Hakenkreuzbannern, drei Tribiinen, kostiimierte " Kraft durch Frtuie "—Urlauber, die Berliner Fascisten-Kolonie, Deputa- tionen aller Art, Minister und kleine Madchen, die dem Fiihrer nach seiner Ankunft Blumenstrausse fiberreichen durften.
Esser, der President des Reichsfremdenverkehrsverbandes, gab die Parole aus : Reist in das glilckliche-reist in das frohe Deutschland ! Goebbels, der grosse Propagandist, formulierte den Sinn dieses gigantischen Umbaus, " das Chaos Berlin neu zu gestalten." Herr Hitler gab als Fiihrer, diesmal in beson- derer Beriicksichtigung seiner Funktion als Bau-und Fremden- fiihrer, sein Glaubensbekenntnis ab : " Denn ich glaube an ein ewiges Deutschland und damit auch an seine Hauptstadt ! " Er )3ek!agt. es, dass Berlin als einzige Hauptstadt der ganzen Welt bis heute noch keinen Justizpalast besitze, was eine Schande fur das Reich sei, die nicht Langer geduldet werden konnte. " Alles, was wir bauen, wird insgesamt dazu fiihren, dass in der Zukunft ein unermesslicher Zustrom von Fremden nach Deutschland kommen wird. Was wir heute im Reiche Grosses schaffen, es macht sich letzte Endes aber auch dadurch bezahlt, dass Deutschland immer mehr zu jenem grossen Reiseland wird, das uns vorschwebt." Nach diesem psycho- logisch so ilberaus bemerkenswcrten Bekenntnis vollzog Herr Hitler dann den eigentlichen Festakt : " Ich lege den Grundstein zum Neubau des Hauses des Fremdenverkehres in Berlin und befehle damit zugleich den Beginn der Arbeit des Umbaues von Gross-Berlin ! "
Gleichzeitig begann Reichsverkehrsminister Dorpmiiller den Spreedurchstich auf dem Konigsplatz, Reichsinnenministcr Frick legte den Grundstein zum Haus des Gemeindetages am Bahnhof Tiergarten, wahrend an den ubrigen dreizehn Bau- stellen die Arbeit mit Rundfunkithertragung angefangen wurde.
Nicht uninteressant 1st der Hinweis in der Frankfurter Zeitung auf die Londoner Stadtbau-Plane. Diese sollen aus strategischen Erwagungen, fur einen Krieg, " oder gerauer, einen Luftangriff " ausgearbeitet und verwirklicht werden, wahrend fiir Berlin dieser Grund " keine Rolle spielt . . .