25 NOVEMBER 1938, Page 16

NEUE WEGE

[Von einem deutschen Korrespondente.n]; IN allem Jammer and Chaos dieser Zeit gibt es. einige Dinge, die uns mit einiger Zuversicht erfiillen konnep. Zu ihnen gehOrt die engere Verbundenheit der Jugend aus yerschiedenen. Landern. Vor dem grossen Kriege waren die internationalen Beziehungen der jungen Generation leider yip' schlechter als die der alten. Die alten Leute batten .gemeinsame wirtschaftliche, wissenschaftliche and manchmal sogar kiinstlerische Beziehungen and Interessen. Sie konnten diese dank ihrer materiellen Unabhangigkeit besser lurch Kongresse and Reisen pflegen als die .jungen Leine, die weder das Geld noch die Erlaubnis ihrer Eltern oder Lehrer hatten, grossere Auslandsreisen zu unternelunen.

Dann kam der Krieg and brachte die jungen Menschen aller Lander tuchtig durcheinander. Aber man- kann dies wohl kaum Reisen in kulturellem Interesse nennen, Nur ein sehr geringer Tell der Jugend pflegte auch in der Kriegszeit die internationalen Beziehungen zu ihresgleichen. .Diese Gruppen mussten aus ihrer ganzen. Veranlagung.:nach streng antinationalistisch und international sein.

Nach dem Kriege wurden diese Verbindungen weiter ausgedelmt ; es bildeten sich verschiedene jugend-Inter- nationalen, wie die der Akademiker, jungarbeiter,!-Wadfmder, Wandervogel usw. Leider haben diese Organisationen wieder abgenommen, da die Milner starker . um. *6 .,greifende Nationalisierung und Faschisierung der Welt - von. einem internationalen Geist nichts wissen will. Was ,in .den streng " toralitarischen " Staaten heute an internationalen Aktionen gestattet wird, das geschieht nicht im Interesse der Menschheit, sondem mu. im Interesse der " Nation."

Aber man muss froh sein, class es ilberhaupt noch so etwas gibt. Die neuen Wege, die das Erziehungswesen. dutch die Einfiihrung des Schiiler-Austausches beschritten hat, kOnnen von segensreicher Wirkung sein, wenn. die davon erfassten Jugendlichen nicht Propagandisten ihres Staates, sondem Burger einer neuen Weltgemeinschaft sind. Bei dieser Art von ilberstaatlichen Beziehungen hangt fast alles von den einzelnen Menschen ab. Sowohl von den Menschen, die ausgewahlt werden, als von jenen, die solche, Austausch- Schiller aufnehmen.

Die Schiller, die fiir solche Austausch-Reisen ausgewahlt werden, milssen mindestens fiinfzehn Jahre alt sein. Sie werden in ihren Schulen, Volks-, Mittel-, Handels-Schulen ausgewahlt and in Gruppen zusammengestellt. Sokhe Gruppen erhalten dann wahrend einiger Monate ,einen regel- massigen Spezial-Unterricht, der sie mit den Sitten des zu besuchenden Landes vertraut macht ; natiirlich wird auch ein Sprachkursus durchgeffihrt. Die Reise wird gewOhnlich von den Eltern bezahlt.

Ein paar Zahlen mogen die Arbeit des Schiller-Austausches besser erlautern. In den zehn jahren dieses Austausch- Dienstes sind 6.356 Jugendliche in Deutschland und den anderen Landem zu Besuch gewesen. Wenn man erfahrt, dass in den flint' Jahren des Dritien Reiches....daven 5.370 Schiller erfasst wurden, dann kann man auch an' einem solchen verhalmismassig kleinen Einzelbeispiel- sehen, Welche Unter- lassungssiinden seinerzeit die Weimarer Republik begangen hat. Die Schiller Deutschlandi besuchen folgende Lander, von denen dann natiirlich auch die fremden Besucher nach Deutschland konunen : England, Frankreich, driethenland, Italien, Spanien, Die Vereinigte Staaten im nfiehsten Jahre soil auch scion der Balkan starker beriickSichtigt werden. Die Gruppen umfassen gewohnlich je hundert jiigendliche, die Urlaubszeit erstreckt sich von drei bis zu sechs Wochen. In Fallen grOsserer Bediirftigkeit kann auch aus temeinde- mitteln ein Reise-Zuschuss gezahlt werden.

Dieser Schiller-Austausch hat mit dem Altademischen-

Austauschdienst and - den Austauschgruppen der VOlkshoch- schulen organisatorisch nichts gemeinSam. Aber alle diese Formen intemationaler Verstandigtmg sind zu begriissen und zit unterstiitzen. Es kann flit die kleinen Nazis nur fOrderlich sein, wenn sie die Freiheit in den anderen Landern personlich erleben lernen. Es kann aber auch fiir die jungen Burger der DemOkratien ebenso niitzlich sein, aid dem Wege des Vergleiches zu erfahren, was sie daheim besitzen. Man lernt die eigene Freiheit starker lieben, „Wrenn man erfahren hat, wie driickend anderswo die Urifieiheit ist.: In dieseir. Sinne hat die Schiller-Austauschbewegung eine 'grosse erzieherische Kraft.