26 JULY 1935, Page 15

Eisenbahn-JubilHum

[Von einem Deutschen Korrespondcnten] I Deutschland ist die Eisenbahn hundert Jahre alt geworden und dieses Eisenbahn-Jubiliiiim gibt tins eine gute Gelegenheit, tins an die " gute, alte " und tins ziemlich unbelnainte Zeit zu erinnern.

Solion die Aegypter batten Spurbahnen zum Fortbewegen der, GUterbilder, diese Spuren waren gleichniiissig. in Stein geschlagen. Dann treffen wir solche 13alinen in deutschen Bergwerken ; hier wurden die. Kohlenwagen auf *Holzspur- bahrten gefahren. Int 17. Jahrhundert wurden diese Bahnen in England eingefiihrt, salt 1767 wurden eiserne Schienen verwendet. Zuerst benutzte man Pferde zum Ziehen der Wagen, aber schon 1804, verwendete Trevithick in Wales , eine Darnpfmaschine. Dann Bess Stephenson am 27. September 1825.. auf der Stockton-Darlington-Bahn den ersten Per- sonenzug fahren, . der fiir sechs Meilen eine. Stunde Fahrzeit brauchte. Fiinf Jahre slither wurde die Streeke Liverpool- Manchester eriiffnet. Tinter den Teilnehmern dieses histo- rischen 'rages befand sick auch der Niirnberger Kaufmann Johannes Scharrer.

Dieser Scharrer war von der Eisenbahn begeistert. Er ver3tielite. zuerst in Preussen sein Gliick. Aber man wies ihn in Berlin ab. So kam er 1832 wieder in seine Vaterstadt und gewann hier allinahlich die BUrgermeister von Mirth mid Nurnberg sowie einige Kaufieute fur sein Projekt. Bereits im • Mai 1833 ging eine " Einladung zur Griindung einer Gesell- schaft fiir die Errichtung einer Eisenbahn mit, Dampfkraft zwischen Niirnberg und Furth ". an die Offentlichkeit. Nadi einem weiteren halben Jahr konnte die " Ludwigs-Eisenbahn- Gesellschaft " gegrundet werden. England lieferte die Mils- chinen. Stephenson empfahl einen englischen Ingenieur fiir die Bauleitung, ,aber die Niirnberger wollten nicht 7.000 GUlden fiir den Ingenieur 'pad 3.500 Gulden fiir den Dolma, seller zahlen. So fand man sptiter den bayrischen BezirkS- ingenieur Denis, der in Amerika und England studiert hatte. Denis errechnete fiir den Bau einen Preis von 132.000 Gulden. Spliter musste man noch 26.000 Gulden dazulegen. Trotzdeni wurde die Bahn ein gutes Gesehaft. Scharrer wurde Direktor der Eisenbahngesellsehaft und bekain 12.000 Gulden Jahres- gehalt. Er .blieb auf diesem Posten bis zu seinem Tod fm Jahre 1844. Die Gesellschaft verteilte 20%.Dividende, um 7% mehr als vorgesehen. Die Bahn selbst bef auf ihrer 6 km Streeke abweeliselnd init "Pferdekrilften" und mit Dampf-kraft.

Die deutsche Eisenbahn war die seeliste in der Welt. Nadi England (Stockton, 41 km) war Oesterreich (Budweis, 64 km) gefolgt. Dann kam Frankreich (Etienne, 18 km), Amerika (Baltimore, 24 km), Belgien (Brussel,. 20 km) und im selben Jahre Deutschland.

Nun ist in Nurnberg, der Stadt Ditrers, Visehers, Sachsens, Scharrers und Streichers, der Stadt der Meistersinger tmd der Nazi-Partei-Tage die Ausstellung " Hundert Jahre deutsche Eisenbahn " feierlich eroffnet wurden. Die Ehrengliste, unter ihnen der Reichsverkehrminister Eltz von Riibnach; der Reichsbahndirektor Julius Dorpmiiller und der • Pogrom- Fiihrer Julius Streicher, wurden in der grossen Umlade-Halle des Rangierbahnhofes empfangen. Der 'Festmarsch von Richard Strauss wurde gespielt. Herr Dorpmiiller feierte den Sie gehzug der Deutschen Eisenbahn, die . es von einer Lokomotive and 6 km zu 25:000 Lokomotiven auf 69.000 kin gebracht hat. Der .Reichsverkehrsminister sprach von' der weltumspannenden Kraft der Schiene und von der Ehre des deutschen Namens. Nadi dem Hoch auf den Fiihrer wurde das Deutschland-und Horstwessel-Lied • gesungen. Dann begab man sich auf einen Rundgang durch die'zwolf Ausstel- lungs-Rfiume, in denen alles Wissenswerte fiber die deutsche Eisenbahn in Wort und Bild enthalten• ist. Gegeniiber der Ausstellung befindet, sick das grosse Modell des ." Ludwigs; bahnhof Nr. '2." • Hier wurden die Festgiiste' von NOrnberger Kindern empfangen und zu einer " Mitfahrt " auf der alten Eisenbahn cingeladen. So fahren die holien Herren mit den Kellen Kindern mit dem wiedererstandenem " Adler," der er3ten deutschen Lokomotive lachend auf derselben Streeke; auf der vor hundert Jahren ihre Gross-und Urgross-Vitter staunend dahin gefahren sind.

Aber keiner von ihnen weiss, wie und wohin in weiteren hundert Jahren ihre Ururenkel fahrenwerden, ob as iiberhaupt dann noch Eisenbahnen und Kinder, die sich damn freuen