DUSSELDORF WIE NOCH NIE
Lyon einem deutschen Korrespondenten)
AM Rhein bliihen wieder die Kastanien.
In Diisseldorf gehn wir an Land. Wir wissen heutc nicht mehr, wer Dusseldorf die schonste Stadt am Rhein genannt hat. War es Heine, der hier als Knabe, Goethe, der hier als Jiingling, Napoleon, der hier als Kaiser war ? Oder war es irgend em n nainenloSer Gliicklicher, der hier verlicbt oder trunken oder beides augleich den Zauber dieser wundervollen Landschaft erlebte. Gross und gewaltig ist Koln, Deutsch- lands drittgrosste Stadt, abcr es scheint immer etwas bedriickt von der Wucht seines Domes. Duisburg, Bonn, Koblenz, Mainz, Mannheim, alle Grosstacite des riesigen Stromcs haben ihre Schonheit und ihre Bedeutung. Aber nur in Diisseldorf vereinigen sich deutscher Friihling und franzasische Heiterkeit zu einem solchen Akkord von Farben und Licht.
Wir wandern die Konigsalle entlang, unter einem Wald von Kastanienbaumen. Die Kaffeehauser haben flare Tore weit aufgetan und die Besucher sitzen an ihren sauber gedeckten Tischen im Freien, mitten im Strom der Spazierganger. Alle Sprachen der Welt werden hier gcsprochen, tienn Dusseldorf ist ein Sammelplatz für Gaste aus aller Herren Lander. Wer hier zu leben das Gliick hat, der verspiirt schon friih etwas von der Grosse und der Weite der Welt.
Aber der Knabc, der hier, nur wenige Schrittc von der breiten und festlichen Konigsallee, in der Bolkerstrasse das Licht der Welt erblickte und sic spater verschonte durch sein Gedicht, er hat friih die Welunut kennen gelernt, die in seinem Liede schwermiitig erklingt : " Ich Weiss nicht, was soli es bedeuten, dass ich so traurig bin . . "
Und wieder nur em n paar Schritte von dieser historischen Strasse und wir sind im wundervollen Hofgarten, wo alle Baurne und Blumen der Erdc zu bliihen scheinen. Mitten unter Blilten liegt der " Malkasten," jenes ehrwiirdige Kiinstlerparadies, wo der junge Goethe nut seinem Freunde Jacobi die duftenden Friihlingsnachte hindurch trank und kiisstc und iiber Gott und die Welt philosophierte. Und wieder nur em paar Minuten Weges durch den Hofgarten, vorbei an den zwei herrlichen Springbrunnen, die durch die Jahrhunderte den Liebespaaren das Lied von Lenz und Liebe rauschen und raunen, da sind wir schon auf der Rhein- Terrassc, iiber die Napoleon Einzug hielt in Deutschland.
Aber kein Land des Kontinents hat sich in diesen htmdert Jahren so ungeheuer verandcrt wie diescs Land, das heute hier in Dusseldorf als " Schaffendcs Volk" Zeugnis ablegt von seiner Entwicklung. Eine Verkorperung von Sophokles Wort aus der " Antigone " : " Vieles Gcwaltige lebt und nichts ist gewaltiger als der Mensch." Aber noch gewaltiger erscheint hier, was cr schuf. Was ein schaffendes Volk, fleissig und geduldig bis an die Grenze des Ertraglichen, hier geleistct und—in 42 Hallen und Pavillons—aufgebaut hat so hoch da droben an den Ufern des cwigen Rheins, das sprengt schon den Rahmen dieser Erde und will in Titanen- ilbermut den Himmel shirmen. Denn auf diescm grossten Laboratorium der Welt wird der Natur selbst der Krieg angesagt, wohl aus Mangel an anderen Feinden. In vier grossen Abteilungen wird gezeigt : eine Werkstoffschau, eine Leistungsschau von Industrie und Wirtschaft, Raumwirtschaft und Stadtebau, Gartenkultur und Kunst. Wollc aus Glas, Seife aus Kohle, 01 aus Walen, Gewehre aus Novobex, Kunstharz start Edelstahl, Gummi aus Kalk, Buna, Bakelit, Hydrierbenzin, Vulkanfiber, Zellon, Zellwolle, Zelluloid, welch eine explosive Schau ! Alles ist bedacht, vorhanden, erklart : die Bodenschatze, das Handwerk, der Verkehr, die Siedlungen, der "Deutsche Lebensraum," alles.
In der Vorwort-Halle stehen vier Tiirme, darstellend die " deutschen " Grundstoffe : Erdc, Holz, Kohle, Metalle.
Aus ihnen baut sich auf die " deutsche " Welt. Monumental, unerhOrt, unvorstellbar für jeden, der das nicht mit eigencn Augen sah.
Dusseldorf wic noch nie !
Und doch, irgendwo weint leise em n kleines Lied : " Ich weiss nicht, was soil es bedeuten, class ich so traurig bin, ein Marchen am alten Zeiten,
das komrnt mir nicht aus dem Sinn F. G.