IM "CONDOR" OBER. DEN OZEAN
[Von einem deutschen Korrespondenten) Mtr belegten Broten, gekochten Eiern, Kaffee, Tee uad Toma- tenmark ausgestattet, haben vier Manner den Ozean zweimal in einer Woche iiberflogen. Zu dem Fluge Berlin-New York brauchten sie etwa fiinfundzwanzig Stunden, der Riickflug erforderte nur zwanzig Stunden, genauer gesagt neunzehn Stunden und vierundftinfzig Minuten. Dieser Flug war cis Rekord.
Vor zehn Jahren flogen drei andere Flieger ebenfalls fiber den Ozean, es waren die beiden Deutschen Koehl und Hiinefeld, sowie der Irlander Fitzmaurice. Sie benotigten fiir die Strecke von Irland nach Newfundland rund ffinfundsiebzig Stunden. Die Verbesserung der Flugzeit urn rund Zwei- drittel der damaligen Dauer zeigt, welchen grossen Fortschritt die Fliegerei in der letzten Dekade erzielte.
Seit der Ozeaniiberquerung durch Lindbergh ist der Atlantik ungefahr fiinfhundertmal von Flugmaschinen iiberwunden worden. Koehl und Genossen hatten den ersten Ostwestflug durchgefiihrt. Der Amerikaner Clarence Chamberlin war bereits ein Jahr vorher, also im Lindbergh-Jahr, mit einem Begleiter auf seinem Hochdecker " Miss Columbia " auf einem Nonstopflug von New York bis nach der Stadt Kottbus geflogen und dann nach einem zweiten Start glikklich nach Berlin gelangt. Sein Landsmann Wiley Post hatte bei seinem Weltrundflug von New York nach Berlin im Jahre 1933 nur 25 Stunden 45 Minuten gebraucht, allerdings als einzelner und auf der Westostbahn, die aus meteorologischen Griinden leichter zu fliegen ist. Der jetzige Flug ist urn so holier zu bewerten, als er nicht auf einer Spezialmaschine, sondern mit einem normalen Verkehrsflugzeug geflogen wurde.
Das Flugzeug heisst offiziell Focke-Wulf Fw 2oo, hat den Taufnamen " Brandenburg" und gehort zur Flu3zeuggattung der Klasse " Condor." Darum wird es auch gewOhnlich nur mit dem Namen des grOssten bekannten Raubvogels, des in den Anden horstenden Kondors genannt. Das Grossverkehrsflugzeug besitzt vier Motoren, eine 15o Kilowatt-Telefunken-Lufthansa-Station fur Langwellcn, sowie eine Lorenz-Kurzwellen-Station, die beide mit der Seefunkstelle Quickborn in ununterbrochener funkentelegraphischer Verbin- dung standen. Die vierkopfige Besatzung setzte sich zusammen aus den beiden Piloten Flugkapitan Henke und Hauptmann von Moreau, dem Oberfunkmaschinist Dierberg und dem Oberflugzeugfunker Kober. Wahrend der Hauptmann Offizier der deutschen Luftwaffe ist, sind die anderen drei Flieger Angehorige der Deutschen Lufthansa.
Auf dem Hinflug wurden ungefahr 6503 Kilometer geflogen, was bei 25 Stunden Flugdauer einer Durchschnittsgeschwindig- keit von 26o Kilometern entspricht. Bei dem Rfickflug wurde eine etwas langere Strecke weiter sildlich gewahlt, aus Wettergriinden, und these Strecke von etwa 7030 Kilometern in zwanzig Stunden geschaffc. Das bedeutet eine Stundengeschwindig- keit von 35o Kilometers. Dass die Flieger besonders sparsam geflogen sind, beweist die Tatsache, dass der Betriebstoff bei der Landung in New York noch fiir weitere drei Stunden, bei der Riickkehr in Berlin, noch fur eine weitere Stunk gereicht hatte.
Die Flieger sind mit grosser Begeisterung und grossen Ehren hiiben wie driiben aufgenommen worden. Ihre Einhol- ung vom Brooklyner Flugplatz Floyd Bennett wurde mit ccht amerikanischer Aufmachung zelebriert. In Berlin wurden sie vom Fliegergeneral Mitch persbnlich empfangen, bekamen im Ham der Flieger noch einen zweiten Empfang, durften sich im Goldenen Buch der Stadt Berlin eintragen, bekamen vom Biirgermeister Erinnerungsplaketten und vom Aero-Club sil- beme Schalen.
Der Flug selbst wird allgemein als Auftakt fur cinen regel- massigen Postdienst zwischen Berlin und New York angesehen. Man bezweifelt zwar, dass es in absehbarer Zeit moglich sein wird, auch Passagierc in dieser enormen Geschwindigkeit fiber den Atlantik zu beftirdern, da man pro Flug rund zehntausend Liter Brennstoff benotigt und daher wenig freie Nutzlast hat. Aber es wird moglich sein, schon auf den nachsten Non-Stop- Fliigen etwa zwei Tonncn Post mitzufiihren, so dass schon fur die unmittelbare Zukunft die Verwendung von Seeflugzeugen, die am besten gegen die Gefahren der Vereisung und des Nebels zu schatzen sind, eine Selbstverstandlichkeit sein witd.