31 MAY 1935, Page 15

Christliche Devisenliebe

[Von einem Deutschen Korrespondenten] IN Berlin fanden innerhalb einer Woche zwei Prozesse statt, die sogar in unserer ungewohnlichen Zeit etwas ganz ausser-

ordentliches darstellen. Im Verlaufe einer grossen Aktion gegen Kloster, die Devisen schmuggelten, wurden erstmalig einige katholische Ordensschwestern zu langjahrigen Zucht- hausstmfen verurteilt.

Der erste Prozess fand gegen Schwester Wernera statt. So heisst mit ihrem Gottes-Namen die Provinzial-Sekreffirin des Ordens der Vinzentinerinnen, Fritulein Katharine Wieden- dOrfer. Diese Dame hat in den letzten Jahren eine Viertel- million Reichsmark an eine Ordensschwester in Belgien gezahlt, die wiederum das Geld nach Holland welter verschob. Mit diesem Gelde wurden dann in Holland Amortisations-und Obligations-Geschiifte vorgenommen. Schwester Wernera erkliirt sich fiir schuldig und verurteilt ihre Handlungsweise. Aus der Korrespondenz ist ein Brief besonders wichtig. Er beginnt mit den Worten " Die Gnade Gottes sei mit uns," gibt dann genaue Anweisungcn, wie das Geld Ober die Grenze zu schmuggeln ist und schliesst dann mit den Worten : " Beten wir, dass in unserem Vaterlande sick alles so regelt, wie es fiir die Sache Gottes am besten ist."

Der Staatsanwalt, der die Sache des Staates vertrat, nannte hierbei die Verbindung des Namen Gottes mit einem Schieber- geschilft ilbelster Art eine Gotteslfisterung. Aus der Rede ging noch weiter hervor, dass das Devisengesetz nicht von dens Katholiken Hitler, sondern von dessen Vorgfingern, den Katholiken Bruning und Wirth bereits 1931 erlassen wurde. Daher konne die Angeklagte diese Gesetze nicht unmoraliseh nennen. Nicht die katholische Kirche sitze auf der Anklage- bank, sondem nur eine Nome, die ihre Kleidung zu Schie- bungszwecken missbraucht habe. Das Kloster sei fiir die Angeklagte ihre engere Familie. Wenn es dem Kloster gut gehe, gehe es such der Angeklagten gut. Daher Winne als Siihne nur eine empfindliche Zuchthausstrafe in Frage kommen. Die angeklagte Vinzentincr-Nonne Schwester Werner a wurdc aber nicht wegen dieses Verbrechens, sondern wegen Devisenverbrecbens zu fiinf Jahren Zuchthaus und zu einer Geldstrafe von 140.000 Mark verurteilt. Ausserdem werden weitere 250.000 Mark eingezogen, fiir welchc die Charitative Vereinigung-Gesellschaft in Kahl haftet.

In dem zweiten Nonnen-Prozess waren angeklagt die 56 jahrige Maria Menke, gcnannt Schwester Neophyte und die 57 jfihrige Gertrud Dohm, Schwester Englatia geheissen. Erstere war die Generaloberin des Augustiner-Klosters in Koln, letztere die Gencralschaffnerin desselben Ordens.. Schwester Neophyta hatte etwa fiinfzig Schwestern mit Devisen nach dem belgischen Kloster St. Vieth geschickt. Von dort wurden die verschiedenen Geldgeschlifte der Augustinerinnen vorgenommen. Die Oberin hatte sich fiber die geschmuggelten Geldsurnme niemals Notierungen gemacht. Das Vermogen bestand hauptsfichlich in Summen, die von den Ordensschwestern beim Eintritt in das Kloster diesem als " Mitgift " zu Verfiigung gestellt waren.

Der Staatsanwalt kl :rte, dass das Devisennotrecht eine Folge des Versailler Diktats sei, durch das Deutschland ausgepliindert worden ware. Deutschland befinde sich ins Zustand einer belagerten Festung. Solangc der Wirtschafts- friede in Europa nicht hergestellt sei, waren Devisenver- brechen genau so schwer wie Landesverrat zu bestrafen.

Hierauf wurde Fraulein Menke zu fiinf Jahren Zuchthaus und Frilulein Dohm zu zelm Monaten Geffingnis, ausserdem beide zu hohen Geldstrafen verurteilt. Schwester Menke brach sowohl bei dem Antrag des Staatsanwaltes wie bei der Ver- kiindigung des Urteils laut aufschluchzend auf der Anklage- bank zusammen.

Diese Prozesse, denen noch weitere folgen werden, beleuchten blitzartig die heutige Situation in Deutschland. Die Religion des Wortes " Gebet Gott was Gottes und dem Staat was des Staates ist " und die Religion eines Staates, der Devisen- spekulationen monopolisiert, prallen hart gegencinandcr. Die Opfer sind ein pear Frauen, denen durch den Zusammen- bruch such die Fundamente ihres Klosterlebens ins Wanken gerieten. Vielleicht nehmen sic als einzigen Trost in die Nacht ihres Zuchthausdaseins jene tiefen und hohen Worte mit, die ihr Filltrer vor 2000 Jahren ausgesprochen hatte :

" Richtet nicht, damit Ihr nicht gerichtet werdet ! "

F. G.