5 FEBRUARY 1937, Page 16

Hamburg siegt

[Von einem deutschen Korrespondenten]

Es WAREN einmal—fast klingt es wie ein Miirchen—drei stolze Hansastiidte : Hamburg, Liibeek, Bremen, die im 14, Jahr- hundert nicht weniger als 77 Stadte beherrschten, die in alien Liindern an der Nordsee wie an der Ostsee wichtige Handelszentren besassen, von denen der Alteste der Stahlhof in London war. Nach der Entdeckung des Seeweges !Loch Ostindien, nach der Kaperung von sechzig Hansaschiffen, durch Elisabeth und schliesslich nach dem Dreissigjahrigen Krieg war die Zeit der Hansa vorbei. Nur das Triumvirat Bremen, Hamburg, Liibeck blieb such welter unabhangig, bis es 1810 an Frankreich fiel. Die Hansastiidte bekamen zwar von Wiener Kongress ihre Unabhangigkeit wieder garantiert, aber mit der Hansa war es vorbei. Bremen wurde als erste Stadt verschluckt, von Oldenburg. Lubeck ist nun an Preussen gefallen. Und nur noch Hamburg, eine einsame, aber machtige Saule, ragt noch aus einer tausendjiihrigen Vergangenheit voller Individualitfit und Tradition in unser° nivellierende Zeit . . .

Jahrhunderte lang war Krieg zwischen Hamburg, der Freien Hansestadt, und den angrenzenden Landern. Ein Kampf, der sowohl um Raum als such urn Maeht ging. In den letzten Jahrzehnten spitzte sick dieser Krieg zu einem Ringen zwischen Hamburg und Preussen zu, nachdem dieses Land allmahlich alle anderen Kleinstaaten innerhalb seines Be- reiches aufgesogen hatte. Zwar hatte sich die Zahl der Staaten von Napoleon bis auf Bismarck innerhalb des deutschen Sprachgebiets fluid um die Halfte verringert, aber der eiseme Kanzler war schliesslich doch zu dynastisch und traditionell, urn mit den letzten Resten des Mittelalters aufzuriiumen. Dies ilberliess er dem Dritten Reich . . . .

Hamburg war gross and miichtig gewesen, als Preussen noch in den Windeln der Weltgeschichte lag. Die Seeriiuber und Senatoren der Hansestadt kannten die Hiifen und Kiisten slier Meere so gut wie ihre eigenen—und fremden—Taschen. Der stolze Wahlspruch des ehrbaren Piraten und spateren Kaufmannes " Mein Feld 1st die Welt " war Wirklichkeit gewesen. Dann, nach Koniggriitz and Versailles, nachdem Preussen, Deutschlands Militrirfabrik, alle Rivalen unterjocht und verschluckt hatte, kam der letzte Kampf zwischen Preussen, dem kontinentalen Militarismus, und Hamburg, dem maritimen Liberalismus. Die Partie endete rends . . .

Und jetzt, im Vierten Jahr des Dritten Reiches, kann Hamburg sogar so etwas wie einen Sieg verzeichnen. Nicht nur, class es seine Unabhiingigkeit bewahrte und dem Schicksal der Verpreussung entging, sondern es erhiilt sogar wie ein richtiger Sieger eine Art Kriegsentschadigung. Diese besteht in der Zuteilung der drei preussischen Stiidte Altona, Marburg-Wilhelmsburg, Wandsbeck, die im Laufe dieses Jahres der Hansestadt Hamburg eingemeindet werden. Dafiir erhalt Preussen von Hamburg die Gemeinden Geest- hacht und die Stadt Cuxhaven sowic eine Reihe kleinerer anliegender Gemeinden. Erwiihnenswert 1st noch die Tatsache, dass such in der Naehbarschaft Hamburgs einige wesentliche Tauschgesehiifte vorgenommen werden. Das wichtigste dieser " Geschlifte " ist die Aufsaugung von Lubeck, einst Hamburgs grOsster Rivalin, durch Preussen. Das Land Oldenburg erhalt den Stadtkreis Wilhelmshaven, bekanntlieh ein wichtiger Stiitzpunkt der deutschen Kriegsmarine, von Preussen, das anderseits von Oldenburg daftir den Landesteil Birkenfeld erhalt. Einige kleine Tauschgeschafte zwischen Mecklenburg, das vor Jahresfrist vereinheitlicht wurde, and Preussen sind von untergeordneter Bedeutung.

Hamburg hat gesiegt. Die " feste Burg am Meer " war lange eine Stadt ohne Raum. Und such ihr Hafen, 750 Jahre alt, fend nicht genug Platz. Jetzt wird die Einwohner- zahl rund um eine halbe Million gesteigert, der Umfang der Stadt urn 80 Prozent vergrossert. Nun gilt es, in diesem gewaltigen Korper neues Leben zu erwecken. Nicht 'Anger darf der Hafen brach liegen. Der Sieg darf kein Pyrrhus- Sieg werden. Damit das Hamburger Lied, gedichtet von dem derzeitigen Emigranten Ewald Gerhard Seeliger, Wirk- lichkeit bleibe " Fest wie deine Tiirme ragen, hoch wie deine Masten stehn, Stark wie deine Glocken schlagen, stolz wie deine Flaggen wehn . . "