WILDERER IM SCHWARZWALD [Von einem deutsehen Korrespondentenj DER "Jager am
Kurpfalz " ist ein beliebtes deutsches Volkslied. Auch Georg Biichner lasst es in seinem unsterblichen " Wozzek " im Chore singen : " Halli, hallo, gar lustig ist die Jdgerei
allhier auf grUner Heid, das Jagen ist mei' Freud. . . . "
Und Herr Goering, des Dritten Reiches Reichsjagdmeisteri selbst wie Nimrod ein gewaltiger Jager vor dem Herrn, weiss in Preussens, Pommerns, und Polens Landern ein Lied dawn zu singen.
Fur mehr pazifistische Laien, fiir die auf alle Fine die sinnlose Abknallerei von wehrlosen Lebewesen eine Schande ist, bleibt die bekannte " Rechtsfrage," warm das Jagen weid- gerecht ist und warm verbrecherische Wilderei, immer prob- lematisch. Ob man geme Rehbraten ist, ob man sich den Batt der Gemse fesch aufs Hiitchen steckt, oder ob man sich das Geweih des Hirschen fiber seinen Kamin hangt,—in jedem Falle wirken Tatigkeit und Stolz der " lustigen " Jager etwas atavistisch in unseren Tagen, wenn auch Kaiser, Konige, Herzoge und andere Grosse dieser Welt mit Maschinen- ge wehem in die ihnen zugetriebenen Wildherden lustig hinein- feuern.
Im Falle des Tiibinger Wilderer-Prozesses, der eben in Deutschland abgeschlossen wurde, handelte es sich gewiss urn einen pathologischen Fall. Der Hauptangeklagte, ein Karlsruher Arzt Schroth, bat sich zwar der Verurteilung ent- zogen, indem er sich im September kurz nach seiner Verhaftung im Untersuchungsgefangnis erhangte. Dieser Doktor Schroth hatte einen krankhaften Ehrgeiz, oboe Jagdschein und ohne Jagdreviere Geweihe zu sammeln. Da es ihm aber anscheinend fiir seinen Sadismus nicht geniigte, diese Geweihe auf Auktionen oder beim Althandler zu erstehen, so montierte er auf seinem Auto einen extrastarken Scheinwerfer und fuhr so in den Waldem Badens und Wiirtembergs auf Scheinwerferjagd. Er liess narnlich durch das Licht die Tiere zuerst blenden, um dann, gemeinsam mit fiinf anderen Sadisten, die geblendeten Tiere abzuschiessen. Schroth, dessen Ehe der Gerichtsver- handltmg zufolge zerriittet war, verschaffte sich auf diesen nachtlichen Wildererfahrten durch den dunklen Schwarzwald die Befriedigung seines Trieblebens. Bel den fibif Mitange- klagten ist die Frage nach den Beweggriinden ihres Wilderns nicht ganz geldart worden, ob sie namlich am persOnlicher Horigkeit gegeniiber Schroth oder " nur " aus materieller Abhangigkeit von ihm sich an diesen Jagden beteiligt hatten. Eine kurze Betrachtung dieser fiinf edlen Deutschen diirfte, auch fiber den Rahmen theses Prozesses hinaus, interessieren.
Hermann Bollweber war Chauffeur bei Schroth. Er hat den Wagen gesteuert, den Scheinwerfer an einem zweiten Wagen montiert, die Gewehre gereinigt. Sein Herr hat ihn durch Rippenstosse zu schnellerem Fahren angetrieben. Er war Schroths Sklave.
Emil Dietz, ein Gewerbeschullehrer arts Gernsbach, hat sich nur aus Freundschaft zu Schroth an den Jagden beteiligt. In seinem Schlusswort bat er um Geldstrafe, urn seine Stellung nicht zu verlieren.
Willy Emsthausen, Doktor aus Berlin, hatte drei Hirsche abgeschossen im guten Glauben, class Schroth ihm dime Tiere " rechtmassig " zum Abschuss iibergeben durfte.
Willi Falk, Forstwart beim Forstamt Baden-Baden, ein Frontkampfer und seit Kriegsende in seiner jetzigen Stellung, will am unwiderstehlichem Zwang gehandelt haben.
Friedrich Seibt, Konditor, seit Jahren arbeitsios und Versorger seiner Mutter und von sieben Geschwistern, hat fur ein Taschengeld, Essen, alte Kidder dem Schroth geholfen. Er wurde bei der Verhaftung von den Forstem angeschossen und am Kopf und an der Hand schwer verletzt.
Auf dem Tisch des Gerichtes in Tubingen liegen dreissig Geweihe turd die beschlagnahmten Mordwerkzeuge. Im Urteil wurden samtliche Angeklagten schuldig befunden. Falk bekam zehn, Bollweber acht, Seibt sechs, Diem and Emstbausen je drei Monate Gefangnis, Untersuchungshaft wurde angerechnet.
Das Volkslied hat nicht recht behalten. Fik manche scheint die Jagerei doch nicht gar so lustig zu sein. Allerdings nur