22 JANUARY 1937, Page 22

Alpaidrama

[Von einem deutschen Korrespondenten]

OREt bangeTage landhat sich in Deutschland ein Drama altige: spielt, das wegen 'seiner atemberaubenden Spannung das ganze Volk in starkster Anteilnahme gefangen hielt. In diesem Drama, das sieh mit der Naturgewalt einer - Shake- spearischen Tragodie entlud, waren die Prinzipien der Drama- turgic Lessings vollkommen gewahrt : nfimlich 'die Sinheit des Ortes, der Zeit und der Handlung. Der Ort des Gesebehens war das BergmassiV dei Watzmann, eines Berger der' Salz- burger Alpen, westlich vom Konigsee;. ill der- bayrisehen Landschaft Berchtesgaden. Die Zeit der Begebenheit waren die. Tage und Nfichte der Neujahrswoche. Die Handlung bestand aus Besteigung, Bergnot und Bergung von .zwei Miincliener Bergsteigern, dem neunzehn Jahre alten -Franz Frey und seinem tun zwei Jahre alteren Vetter gleichen Namens. Sie hatten es gcwagt, ein Winterdurchkletterung der Watzmann-Ostwand zu versuehen, ein auch im Sommer tollkalutes Unternelunen.

Die schroffc -Felsmasse des Watzmann gliedert sick in mchrere Gipfel, von denen die Voidere Spitze, auch Hocheck genannt, 2651 m, die Mittlerc Spitze 2714 m, die Sfidliche oder Schfinfeld-Spitze .2712 m hoch ist. Der Berg trfigt an der Watzmannscharte einen Gleticher und wird im Sommer Von Berchtesgaden aus fiber die Miinehener Witte veil geiibten Bergsteigern oft bestiegen. _

Der Watzmann hat schon viele Tote geschen. Jahrliunderte- lang schien dieser Bergriese sfidlich von Salzburg, dessen Ostwand fiber 1800 m. tief zum Konigsee abstfirzt und so den 'grossten Felsabsturz der Ostalpen darstellt, unbesteigbar. Erst im Jahre 1880 ist es zwei erfahrenen Alpinisten, Keder- bacher und Schack, gelungen, die Ostwand zu bezwingen. Nach ihnen aber ejelite sich der bezwungene Riese Hoch oft an den ehrgeizigen Mensehenzwergen. So stiirzte ein Reichs- wehrsoldat aus Berlin von der Schollhomplatte in die Hancb. kluff ab und nach ihm ein andeier an derselben Stelle. Nods viele Bergsteiger fanden hier den Tod.

Alle diese Ungliicksffille ereigneten sick im Hqchsommer, in der Bergsaison. Die erste Winterbesteigung gelang nach jahrelanger Vorbereitung •dem Reichenhaller Toni Beringer mit drei Kameraden am 15. Dezember 1930. Ein Jahr spiiter wurde die Winterwanderung Ober die Watz- mannwand durch die Traunsteiner, Gustl 'ironer und Anton Huber wiederholt. Kroner starb bald darauf in • der Matterhomwand. . . .

Die beiden Vettern Frey stiegen in der Neujahrsnaeht

in die Wand ein. Sie hatten 'den Watzmann noch im Sommer bestiegen. Infolge eineS Wettersturzes gerieten sie nach drei Tagen in Bergnot. Sie konnten weder vorwartb noch rrickwarts. Bei jedem Schritt sanken sie bis zur Brust in Neuschnee ein. So blieben sie auf einem ganz schrnalen Gratvorsprung stecken, mitten in der Ostwand, 1000 Meter fiber dem Konigsee. Am vierten Tag versuehte eine Rettungsmannschaft, die beiden Verunglfiekten zu erreichen. Es waren zehn Manner, acht Bergsteiger aus Miinchen, einer aus Berchtesgaden rind der Obmann der Berchtesgadener Rettungsstelle. Nach einer furchtbaren Schneesturmnacht, die - sie in direr EishOhle verbrachten, mussten die ,Manner vollig erschopft umkehren. Nun wurde Militfir eingtsetzt. Ffinfzig Reichenhaller Jager und tausend Meter Seil warden angefordert, da jeder, der abgcseilt wird, eine dreifache Seilsicherung niitig hat. Mancher Abgeseilte versank bis fiber den Kopf in dem zwei Meter hohen Schnee. Am Donnerstag versuchten die Bergwacktleute ards neue die Rettung. Sie erreichten in fiinf Stunden den Gipfel. Drei von ihnen seilten sich zu den Verunglfickten hinab. Urn 12 Uhr 30 mittags, am 7. Januar 1937 war, die Rettung gelungen: Fiinfzig Soldaten, fir& -Flugzeuge und zehn Bergsteiger hatten sich in vier Tagen und vier - Nuchten um das Lebcn zweier Leichtsinniger gemiiht und die Schlacht gewonnen. In Nacht turd Nebel,- linter Lawmen_ und Sehneestiirmen, bei: und Regen gelang das Werk. Ein Aufatmen ging dUrch ein ganzes Volk, als diese Tragodie nach einhundeitsechiundsiebzig Stunden Qual zu Ende ging, ,auslilingencr in- dem lapidaren Rig ;

" Bergsteiger lebEnd gebOrgen "- - F. G.