GROSSDEUTSCHE MESSE
[Von einem deutschen Korrespondenten]
WER Deutschlands neue Theorien nicht lieben kann, der muss doch seiner Technik Anerkennung zollen. Was in diesem Lande auf diesem Gebiete geleistet wird, wird immer wieder Staunen und Interesse erwecken. Diese Leistungen sind zwar nicht das Produkt halbgebildeter Phantasten ; pie sind der Ausdruck der dem deutschen Volke als solchem innewohnenden Arbeitskraft, Organisationsgabe und Intelli- genz. Das sind Krafte, die heute noch dem Fricden nutzbar gemacht werden ; sie !carmen aber, !eider, jederzeit zu den Werkzeugen sinnloser Zerstdrungslust umgcformt werden.
Auf der Leipziger Messe werden jetzt zum ersten Male die Produkte aus ganz Grossdeutschland ausgestcllt. Auch schon vor der Einverleibung Oesterreichs und der Sudeten- lande war die Leipziger Messe die grOsste internationale Warenschau der Welt. Diesmal vcreinigt die " Reichsmesse Grossdeutschland " rund zelunausend Aussteller und drei- hunderttausend Besucher. Der Umsatz auf der vorjahrigen Friffilingsmease betrug mehr als eine halbe Millarde Mark, ein Drittel davon waren Exportauftriige.
Als geographisches Hors d'oeuvre zum Leipziger Allerlei gab es eine sudetendeutsche Ausstellung im Deutschen Museum fiir Landerkunde, die natfirlich rein politisch auf- gezogen wurde und den Appetit zum Verspeisen weitcrer Provinzen anregen sollte. Wie schnell sich das neueste Glied in der deutschen Kette in ihr eingefiigt hat, zeigt ein Stand im dritten Stock des Textil-Messehauses mit der Aufschrift " Die grosste Strumpffabrik Europas." In dieser Fabrik verfertigen viertausend Menschen an sechshunden Cotton- maschinen neunzigtausend Paar StrOmpfe in jeder Woche.
Man wird hier von der Statistik erdriickt. Je tauscnd Aussteller—fallen auf die Haus-und Kiichen-Industrie, auf die Leder-und Schmuckwaren, auf die Papier-und Bilro- Industrie, auf die Tcxtilbranchcn, auf die Miibel-Messe, auf das Kunsthandwerk, auf die Maschinen-Messe, auf die Technische Messe und auf die Baumesse. Die Technische Messe allein verffigt Ober achtzehn Hallen. Hier erregen die fiihrergesteuerten Maschinen, Hohel-und Holzbearbeitungs- maschinen, Dieselmotoren, Werkzeug-, Bau-, Vcrbrennungs- kraft-, und Kalte-Maschinen, Sonderstahle, Industrie-Oefen, Kiichenbetriebe, Elektrotechnik, Photo, Kino, Optik, Biiro- und Verpackungs-Maschinen die Bewunderung der Besucher aus dreissig Landem.
Ein Kapitel fur sich ist die Spielwarenmesse. Hier sind funfhundert Aussteller versammelt, achtzig haben sich auf Puppen beschrankt. Den Hauptteil nimmt naturlich die Soldatenspielerei ein. Da gibt es Flugzeuge, die starten und fliegen konnen, Panzerspahwagen mit Morseapparaten, drehbarer Panzerkuppel und Antennenmast. Ein Wiirfelspiel " Welthandel " zeigt die aktuellen Aspirationen, mit denen sich Deutschland, nicht nur im Spiel, hier cinschalten will.
Auch die Baumesse zieht die Schaulustigen immer wieder an, sei es durch den enormen Larm, der hier mit den riesigen Maschinen erzeugt wird, sei es aus dem Gefithle der untrenn- baren Verbundenheit, mit der jeder Einzelne sich diesem Termitenstaate verkettet weiss.
Es gibt hier wie auf alien Standen viele Neuheiten. Die Mobelmesse brings viele interessante Anregungen aus dem alten Oesterreich oder der neuen Ostmark, wie heute der offizi- elle Titel ist. Helle Farben bei dem Holz wie bei dcr Pol- sterung, eine grossere Auswahl bei den Kleinwohnungsmiibeln sind hier hervorzuhehen.
Die Automaten haben ebenfalls eine eigene Messe erhalten. Neue Modelle, Wechselgeld-Automaten, Esswaren-Automaten, Spiel-und Sport-Automaten illustrieren die Tendenz des Dritten Reiches, das Leben armer an menschlicher Initiative, dafiir reicher an Automaten zu gestalten. Hier spielen auch die Ersatzstoffe eine grosse Rolle ; die Kastchen werden aus Kunstharz, die Eisenteile aus Pressmasse fabriziert ; Schlosser sind ebenfalls aus Kunstharz und Skis aus Press-Stuff hergestellt.
" Omnia vincit labor." Das ist der Wahlspruch Leipzigs. Die Arbeit besiegt alles. Eine gefahrliche Parole. Moge nie der Tag kommen, an dem eine Explosion einer Nation von Autokraten und Automaten die iiibrige Welt, die auch noch andere Werte des Lebens kennt und anerkennt, tinter ihren Triinunern begrabt.