WILHELM BUSCH
[Von einem deutschen Korrespondenten] 1ST g schon ein Menschenalter lang nicht mehr miter
uns,., gels gute alte wissende Vater der beiden bOsen Knaben Max .444 Moritz, die David Low heute wieder in seinem DiOskuienpaar zur Auferstehung brachte? Ja, der Kalender liigt nicht. Wilhelm Busch ist am 9. Januar, 1908 gestorben. Wenn wir heute noch die dreissigjahrige Schutzfrist hatten, konnten seine Werke in Millionenauflagen die acme, geplagte Menschheit erheitem und erfreuen. So bleibt der lachende Pessimist noch fur lange nur der Besitz der Begilterten, die ihn aber lange nicht so schirtzen konnen wie jene, fiir die allein er schrieb, die Armen and die Kinder.
Wie ein schOnes tiefes Marchen klingt es wieder : "
da ich unerfahren und bescheidner war wie heute, hatten meine hOchste Achtung andre Leute. Sttater traf ich auf der Weide ausser mir noch andre Kalber, and nun schatz ich, sozusagen, erst mich selber." Diese weise Selbsterkenntnis hatte er sich erst im Alter erworben, obwohl er ihr mit Wort und Stift ein ganzes Leben lang gehuldigt hatte. Der Dichter und Zeiclmer Wilhelm Busch, der 1832 in Wiedensahl in Hannover geboren wurde und als Sechsundsiebzigjahriger starb, ist allgemein nur als Humorist bekannt. In Wirklichkeit war er vielmehr. Er war der Daimler Deutschlands, ein Mann, der lange vor. Heinrich Zille and George Grosz eine gesellschaftskritische Mission auf sich nahm und sie meisterhaft vollendete.
Im Zeitalter Bismarcks und spater in dem Grossenwahn der wilhelminischen Griinderjahre, wo sich in der Seele des deut- schen Spiessers die ersten Keime des Dritten Reiches zu bilden begannen, da kampfte Wilhelm Busch, nur ausgeriistet mit der kkinen und unansehnlichen Waffe seines Zeichenstiftes, gegen die leere und geistlose Welt der damaligen Goliaths. Man kennt ihn als den Vater von " Max und Moritz." Dass er aber den Kampf gegen das Pfaffentum im " Der heilige Antonius von Padua " bereits 1870, den Kampf gegen das Philistertum in " Die fromme Helene " um 1872 aufnalun, das ist heute beinahe schon vergessen und Legende.
Im nachsten Jahrzehnt verOffentlichte der Dichter-Maler noch ein Dutzend Bilderbficher, darunter die Jobsiade and die Knoppiade, den " Pater Filucius," " Balduin Bahlarn, der verhinderte Dichter " and " Maler Klecksel." • Busch war Pessimist ; er selbst hat sich so genarmt, einen " abscheulichen Pessimisten." Er ist grausam—in seiner Kunst--grausam gegen jede Kreatur Gottes, gegen Menschen wie gegen Tiere. In den tausend Gemalden, den dreitausend Zeichnungen, den SkizzenbUchem, Entwiirfen, Briefen, in allen Dokumenten seines Daseins, das das eine§ menSchen- scheuen and einsamen Sonderlings war, hat er die Lacherlich- keiten unseres Daseins beschrieben. Dafiir standen ihm Wort and Bild in unerhorter Plastik zur Verfiigung. Das Wort, gestaltet in den KnUtteireimen seiner Gedichte. . Das Bild, geformt in den fortlaufend beschreibenden Konmientaxen zu seinen Reim-Geschichten. Man konnte ihn als bildenden Kiinstler eine Mischung aus Spitzweg and Disney nennetr.
Von dem ersten hat er das behabige, giitig-satirische, manchmal idyllische ; von dem SchOpfer des Micky Mouse hat er das packende, • bissig-moderne, kindisch-ironische. Man- liann Wilhelm Busch ruhig den Ahnvater des Trickfilmes nennen, seine Kunst nahm das Bild-Epos des Filmes genial vorweg. Auch Gilberts " Bab-Ballads " ahneln ihm.
Das Leben von Wilhelm Busch war einsam and ohne grosse Abenteuer. Als Sohn eines Kramers sollte er Ingenieur werden, wollte aber Maler sein. In Munchen war er Mitar- beiter an Kneip-Zeitungen, spater an den " Fliegenden Blat- tern." In der Folgezeit illustrierte Busch dann nur noch seine eigenen Torte. Verhaltnismassig frilh kehite er in seine Heimat Wiedensahl zuriick. Sein Werk stammt aus der Perspektive des Dorfes. Vom fiinfzigsten Jahr an hat der Kunst- ler keine Zeichnungen mehr veroffentlicht. Er brachte noch ein Prosabuch heraus " Eduaids Traum " mid den Gedichtband " Kritik des Herzens." Dann verstummte er und sah nur noch dem Leben mit allen seinen Grausamkeiten und Dumm- heiteu zu. In Mechtshausen, am Fusse des Harzes, ist Wil- helm Busch im Hause seines Neffen, des Pastor Noldeke, gestorben. Dort liegt er auch begraben, er, der gesungen hatte
"Alles geht zu End allhier :
Tinte, Tobak und auch wir. - Zurn letzten Mal wird eingetunkt, Dann kommt der grosse Schwarze."