MAIDEN UND MADEL
[Von einem deutschen Korrespondenten] FRUHER gab es nur eine Bezeichnung fiir die heranwachsende weibliche Jugend; man nannte sie Miidchen. Heute ist das anders geworden. Die Bezeichnung Miidchen gehort der zivilen Vergangenheit an. Was ein richtiges deutsches Madchen ist, wird heute eine Maid oder ein Made' genannt. Eine Maid ist ein Mitglied des Reichsarbeitsdienstes fiir die weibliche Jugend, der heute etwa vierzigtausend Madchen, pardon Maiden umfasst. Ein Madel ist die Angehorige der offiziellen Jugendorganisation " Bund Deutscher Madel," dem weiblichen Gegensttick zur Hitlerjugend, in der die kiinftigen Herren der Schopfung, inzwischen Vierzehn-bis Achtzehn- jahrige, erzogen werden.
In Deutschland gibt es einen leichten Frauentiberschuss. Die Schulstatistik zeigt, dass von den siebeneinhalb Millionen Volksschiilem zu Ostem 1938 rund 920.209 Schulkinder eneassen wurden ; von diesen waren 459.837 Jungen und 460.372 Madchen. Eine halbe Millionen Knaben oder Madchen zu beschaftigen, sie nitlerfroh oder hitlerstolz zu machen, dem nicht immer sehr nazibewussten Einrichtungen von Betrieb, Elternhaus, Kirche usw ein Gegengewicht zu geben, das ist schon eine bedeutende Aufgabe. Sie zu losen, wird das Madchen zum Madel, die Jungfrau zur Maid umgeformt.
In jedem Raum, wo heute Deutsche Jugend pflichtmassig oder zwangsmassig zusammenkommt, hangt ein Bild des Fiihrers. Das ist Gesetz. Daneben gibs es auch anderen Wandschmuck, Bildnisse grosser Deutscher aus der Ver- gangenheit und grosserer aus der Gegenwart, Spriiche und der- gleichen mehr. Vielleicht ist auch der Schluss jenes Artikels als Wandspruch montiert, der unter dem Titel " England verrat Europa " in der Zeitschrift " Volk und Reich " von Rudolf Fischer geschrieben wurde. Er heisst : "Hier steht dieser Kontinent voll Reserven, die von Deutschland nutzbar gemacht werden konnten, Europa neue Krafte zu verlcihen. Dort steht England vor einem leeren Weltreich, das in Un- fruchtbarkeit verharrt und mit seinem ganzen Gewicht auf Europa lastet, ohne ihm zu helfen. Deutschland denkt fur Europa. England handelt gegen Europa."
In diesem Zeichen wird heute Deutschlands Jugend zum germanischen Imperialismus erzogen. Sic werden fieberhaft geistig und kiirperlich gedrillt. Von den 50.0oo Studenten und Studentinnen wurden 99 per cent. im Erntedienst erfasst. Von den Arbeitsamtern wurden rund 200.000 Pflichtjahrmadchen untergebracht und kontrolliert. Der Reichsarbeitsminister hat in einem Erlass gegen Mehr-und Nachtarbeit der Frauen und Madchen angeordnet, dass die Arbeitszeit der Frauen nicht iiber zehn Stunden ausgedehnt werden durfe. Im Land hinter dem Westwall, mit dem sich Deutschland von der Welt verschliesst, gibt es fiinfzig Maiden-Lager, von denen aus die Arbeitsmaiden iiberall zwischen Aachen und Zwei- briicken eingreifen, wo Not am Mann ist und man sie in Kircher, Kellem, Kinderstuben braucht.
Fur ihre Arbeit erhalten die Maiden und Midels reichen Lohn sie dtirfen Uniform tragen. Blaues Kleid und rotes Kopftuch, sie tragen die Farbe der Komblume und des Mohns. Bei stiirmischen Wetter gibt es als Zulage eine graue Windjacke, grau wie das Ehrenkleid des Soldaten oder wie das Elend. Die Arbeitsmaiden des weiblichen Arbeitsdienstes sind in Lagem zu je fiinfzig Maiden zusammengefasst, die Schlafraume enthalten je zwlfolf Betten. Die Arbeitszeit soil fiir die Maiden nur sieben Stunden wiihren. Sie verlassen am Morgen das Lager, arbeiten beim Bauern, haben dort auch ihr Mittagsbrot und kehren abends wieder ins Lager zuriick. So wirken sic, Abiturientinnen, Schneiderinnen, Stenotypistinnen, Verkauferinnen, Landjahrsmadchen und Arbeitsmaid mit am sausenden Webstuhl der Zeit.
Da haben es die Madel in den Jungmadelfiihrerschulen besser. Sie haben zwolf Tage Urlaub, durfen Blumen pressen, Scherenschnittc schneiden, malen, photographieren, Tagebuch schreiben. Aber am gliicklichsten waren wohl die Madchen, Maiden oder Midel, die in der "Nacht der Amazonen " in- Nymphenburg mittun durften: "Nackte Amazonen mit goldenem Helm und Speer ritten ein. Venus, Diana and die Amazonenkonigin wurden in allegorischen Haltungen, teils mit goldbronzierten Leib, teils ohne jede Halle, auch ohne die Farbe, auf strahlenden Prunkwagen vorbeigefahren."
Junge, Junge, pflegt der Berliner zu sagen, wenn er erstaunt ist. In diesem Falle muss er wohl sagen: Made!, 1Viaidel!